Der Metzger sieht rot
wie der Metzger nach torkelndem Fußmarsch vor der Eingangstür wieder auf festen Boden tritt, begreift er, dass ihn nicht der weiche Kiesweg hat torkeln lassen.
Bevor er läutet, streicht er seine mit Vaseline, was anderes hatte er nicht zuhause, gefügig gemachten Haare aus der Stirn zurück zu einem fragwürdigen Scheitel, dann betätigt er die Glocke, im Glauben und der Hoffnung, damit erstmals sein Kommen anzukündigen. Ich hätte das Taxi warten lassen sollen, sinniert der Metzger über den Ausgang seiner bevorstehenden Eintrittswahrscheinlichkeit. Wie gesagt, was für ein Irrtum.
Denn Jasmin Beatrice am Empfang hat natürlich längst auf dem vor ihr in den Tisch versenkten Bildschirm diese Person durch den Garten heranmarschieren gesehen und freut sich über einen neuen Gast.
Das sind ihr die Liebsten. Die sichtbar Stinkreichen, die bereits vor Mitternacht einen sitzen haben und somit die vorrangige Aufgabe der hier angestellten Damen, nämlich den Herren das Maximum an Geld aus der Tasche zu ziehen, zu einem Kinderspiel werden lassen. Dennoch verfährt sie nach System:
„Sind Sie angemeldet?“
„Brauch ICH eine Anmeldung?“
Die eigentlich unbeabsichtigte Betonung des ICH öffnet dem Metzger völlig überraschend ohne weitere Fragen die Tür.
Man kann schließlich ja nicht alle kennen, geht es Jasmin Beatrice etwas verärgert über ihren offensichtlichen Fehler durch den Kopf, während sie neugierig den unbekannten stattlichen Mann mustert, der sich auf sie zu bewegt. Zu viel getrunken hat er, aber sonst passt er perfekt in die Riege der hier aus und ein gehenden Männer. Über 40, gut ernährt und offensichtlich gut situiert. Wahrscheinlich bestens situiert.
„Mein Name ist Jasmin Beatrice. Was kann ich für Sie tun, wollen Sie zu wem Bestimmten?“
Im gedämpften Licht des Eingangsbereiches dämmert es dem Metzger hinter dem Schleiervorhang einer beträchtlichen Alkoholisierung schön langsam, wo er sich nun befindet, was zwangsweise die in ihm bezüglich dieses Ausflugsziels bereits abgespeicherte Unsicherheit an die geistige Oberfläche treibt. Treiben will er es hier nämlich nicht, der Willibald.
„Niemand Bestimmtem. Wo kann man hier was trinken?“, gibt er bestimmt von sich.
Das hört sie gern, Jasmine Beatrice. Trinken, eine der Haupteinnahmequellen dieser Gaststätte, ganz abgesehen davon, dass unter „etwas trinken“ im Zusammenhang mit einem Besucher hier etwas gänzlich anderes verstanden wird als das vom Metzger angestrebte Seidel Bier.
„Gehen Sie einfach durch die Glastür, ich schick Ihnen was!“
Hinter der verspiegelten Glastür eröffnet sich ein Reich in rotem Plüsch, und wahrscheinlich weil der Metzger auf ein solches Ambiente zum ersten und bisher auch letzten Mal beim Klassentreffen „seiner“ 8B im ebenso dekorierten Hinterzimmer des bürgerlichen Wirtshauses Novak gestoßen war, meldet sich sein Magen mit einer schmerzhaften Sehnsucht nach einem Paar Frankfurter mit frisch geriebenem Kren.
Kaum, dass er die ersten Schritte in Richtung Bar unternimmt, haken sich von hinten zwei spärlich bekleidete Frauen ein, ziehen ihn in eine der leeren Nischen, so wenig sind da übrigens gar nicht leer, stellt der Metzger überrascht fest, stellen eine offene Flasche Champagner auf den Tisch, samt drei leeren Gläsern, und schenken dem Metzger ein. Wobei dem Metzger da weniger das bei Weitem überschätzte und seines Erachtens nach grauenhaft schmeckende Sprudelwässerchen zu schaffen macht als vielmehr die Art und Weise der beiden Damen, wie sie mit ihm ins Gespräch kommen wollen.
Eine beansprucht sofort den Platz auf seinem Schoß, die andere umarmt ihn von der Seite und erklärt:
„Ich bin Lara und das ist Luise. Die zwei L!“
Mit ordinär herausgestreckter Zunge dehnt sie das L zu einem lang gezogenen Ausstoß der Unerträglichkeit, die reinste Marter für den Willibald, in vielerlei Hinsicht.
Wie sehr ihm doch seine Danjela samt ihrem beeindruckenden slawischen Akzent fehlt, wie unglaublich anödend ihm doch diese beiden dürren vollbusigen Krispindln so was von unerotisch im Weg herumsitzen und wie gewaltig ihm der Magen knurrt.
„Wir tun alles, damit Sie diesen Abend nicht mehr vergessen!“, hört er ins Ohr gehaucht, worauf ihm dank alkoholisierter, locker sitzender Zunge auskommt:
„Na, dann bringts mir ein Paar Frankfurter mit Kren!“, was Luise augenblicklich dazu veranlasst, den ersten Wunsch in die Tat umzusetzen, sehr zur Erleichterung des
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