Der Metzger sieht rot
durch den Kopf, bis auf die Tatsache der Garderobendurchsuchung und des Werkstattbesuches. Aber das fällt für den Herrn Kommissar ja nicht ins Gewicht und nun sicher in die Kategorie „Akte geschlossen“.
Ausnahmsweise dürfen sie zu so später Stunde zu Danjela ins Zimmer, und während der Metzger flüsternd, als wolle er den so friedlich wirkenden Schlaf seiner Danjela nicht stören, die Blaha-Ereignisse schildert, sitzt Zusanne Vymetal mit starrem Blick beim Fenster und spricht nichts.
Zärtlich streicht der Metzger über Danjelas Kopf und hält ihre Hand. Beinah eine halbe Stunde breitet diese sanftmütige Stimmung im Krankenzimmer ihre Kraft aus, unterbrochen von einzelnen tiefen Seufzern, bis schließlich die Nachtschwester hereinkommt.
„Jetzt wird es aber langsam Zeit zu gehen. Morgen ist auch noch ein Tag!“
Im Wagen bricht die Vymetal ihr Schweigen.
„Der Walter Kuransky braucht mir nicht mehr in die Quere kommen. Hat mich eh nur benutzt.“
Jetzt wird dem Metzger klar, warum der Vymetal überraschenderweise im Spital die Worte im Hals stecken geblieben sind, immerhin ist für sie gerade eine Beziehung zu Ende gegangen, und ganz nach dem Motto: Wenn die Hoffnung stirbt, stirbt auch die Contenance, nutzt sie die Anwesenheit eines Beifahrers zur wutentbrannten Entladung.
„Ab und zu durfte ich einen Fuß in seine Welt setzen, in dieses aufpolierte Dasein, in dem vordergründig der Hochglanz den hintergründigen Dreck verbergen soll. Für mich hat der sich aber nur was waagrechte Angelegenheiten betrifft interessiert. Was hab ich mir auch erwartet?
Glaubst du, der hätte mich einmal wohin mitgenommen oder vorgestellt oder wegen mir aufgehört, mit den Spielern regelmäßig über die Stränge zu schlagen, sich anzusaufen, auf Partys zu gehen, sogar Bordellbesuche standen weiter an der Tagesordnung. Männer sag ich dir. Vielleicht bist du ja eine Ausnahme?“
Stutzig ist er jetzt geworden, der Metzger.
„Bordell, sagst du? Mit Spielern ins Bordell und trotzdem eine Beziehung führen? Das hast du geduldet?“
„Was heißt geduldet. Das ist in diesen Kreisen genauso üblich wie die wöchentliche Teamsitzung oder das tägliche Regenerieren. Mir kommt sogar vor, diesen Ausflug zahlt der Verein. Stell dir das vor. Fällt unter Spesen. Unter Dienstverpflichtung. Da geht’s aber dann schon ins Nobelpuff. Und der Walter hat mir das auch noch so erzählt.
‚Zusanne, stell dir vor, gestern waren wir wieder in der Villa Orchidee‘“,erzählt die Vymetal mit spottendem Ton, „hat er sich ein ‚Toll Walter, wirklich toll‘ von mir erwartet, dieser Dreckskerl? Auch wenn dort die halbe Stadt ihre Geschäfte abwickelt, ich muss echt nicht wissen, wenn sich mein Freund wieder einmal wirtschaftlich hat beglücken lassen, echt nicht.“
Richtig in Rage gekommen ist sie jetzt, die Vymetal, und noch bevor sie sich quietschend vor der Metzger-Haustür einbremst, meint sie:
„Mensch, bin ich froh, dass ich den los bin, das kann ich dir sagen. Ihr glaubts echt, ihr Männer, ihr könnts euch alles erlauben. Und wir Frauen sind immer noch viel zu duldsam und leichtgläubig. Von diesen aufgeblasenen, selbstverliebten Potenzprotzen hab ich genug.
Ich such mir nur mehr einen stillen, unscheinbaren, beziehungsgeschädigten, dankbaren, treuen Gutmenschen. Und wenn das ewig dauert!“
Doch so lange wird das gar nicht mehr dauern.
Nach einer verbitterten Atempause fügt sie hinzu:
„Und eines gilt übrigens noch immer, trotz Sympathie: Wehe du brichst der Danjela, sollte sie jemals wieder zu sich kommen, das Herz! Das hat sie nicht verdient!“
„Das hat keiner verdient!“, findet der Metzger nun unaufgeregt die richtigen Worte, worauf ihm die Vymetal zum zweiten Mal an diesem Tag einen Kuss zuteil werden lässt. Jetzt weiß der Willibald, aus einer anfangs feindlichen Distanziertheit ist eine unerwartet freundschaftliche Vertrautheit geworden.
45
Der Anzug passt perfekt.
„Na, was sagen Sie?“
„Wenn das mein Vater wüsste!“, bekundet der Metzger.
„Hätt er eine Freude, oder?“ meint Edgar Zadrolevsky in Gegenwart seiner eigenen Schneidergroßtat.
Nur drei Tage hat er für die Änderungen gebraucht, nachdem ihm der Metzger den Anzug gebracht hatte.
Er sei sowieso am liebsten Kleiderrestaurator, hat der Zadrolevsky bei der Entgegennahme gemeint, worauf ihm der Metzger ein Visitenkarterl überreichen musste und erklärte: „Das trifft sich gut. Ich nämlich auch, nur ohne
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