Der Meuchelmord
Bürgerkrieg kommen, zu keinem furchtbaren Aufruhr von innen, um ihnen den Weg von außen her zu ebnen. Um das zu verhindern, wollte der Mörder, den sie gedungen hatten, zuschlagen. Er spürte den kalten Märzwind auf der Straße, knöpfte seinen Mantel zu und näherte sich den grauen Doppeltürmen der Kathedrale.
Um zehn Uhr füllte sich allmählich das weite Kirchenschiff. Das gedämpfte Summen setzte sich aus allen möglichen Geräuschen zusammen: dem Rascheln beim Platznehmen, aus leisem Flüstern und Husten und gedämpfter, lieblicher Orgelmusik. Keller kannte jeden Zentimeter seines Weges. Vor zwei Tagen hatte er eine volle Stunde hier zugebracht und so getan, als besichtige er die Seitenaltäre. Bei dieser Gelegenheit hatte er sich wieder alle Einzelheiten genau eingeprägt. Er trat durch das hohe Tor, flankiert von massiv bronzenen Flügeln, geschmückt mit den Statuen von Christus und seinen Jüngern sowie drei Heiligengestalten, die in New York eine Rolle spielten.
Zwei Männer hielten ihn an. »Was haben Sie unter Ihrem Mantel, Sir?« Ohne Widerrede zog Keller seinen Mantel aus und reichte ihn den Beamten. Er war nicht der einzige, der angehalten wurde. Ein Mann mit einer Aktentasche wurde gebeten, sie zu öffnen. Er schimpfte wie ein Rohrspatz. Keller hob ein wenig die Arme an und ließ sich von dem zweiten Beamten nach Waffen abtasten.
»Entschuldigen Sie die Belästigung«, sagte der Beamte dann, »aber die Sicherheitsvorschriften sind sehr streng.«
»Ist schon gut«, murmelte Keller. Er betrat die Kirche und wandte sich nach links. Am Ende des Seitenganges führten einige Stufen hinter die hohe Mahagoniwand, die den größten Teil des Hochaltars bis auf den herrlich geschnitzten Baldachin verdeckte. Dieser Beichtstuhl war in die Wand eingelassen, und bei seinem Bau hatte man eine der mächtigen Säulen einbezogen. Hier hielten sich ein paar Leute auf. Drei Männer fielen Keller auf, die bestimmt nicht zu den Gläubigen gehörten. Sie marschierten wachsam auf und ab. Einer der Kirchendiener blieb kurz stehen und wechselte ein paar Worte mit ihnen. In diesem Augenblick waren alle beschäftigt. Keller sah sich nach allen Seiten um. Niemand beachtete den Beichtstuhl für Schwerhörige. Keller hatte jede einzelne Bewegung so gründlich durchdacht, daß nun alles blitzschnell ging. Er tauchte geduckt hinter den grünen Vorhang und streckte die Hände aus. Seine Finger ertasteten ein weiches, langes Gewand. Er fuhr mit einem Arm hinein und trat zurück. Vor den Augen aller, die hier entlang kamen, rückte er das Kirchendienergewand zurecht und ging hinüber zum Altar der Rose von Lima. Sein Herzschlag ging kaum schneller als sonst, aber er unterzog sich absichtlich einem Test: Er trat zu dem Ständer, auf dem die Votivkerzen brannten, und rückte zwei der Kerzen gerade, von denen Wachs auf den Fußboden tropfte. Leute gingen an ihm vorbei, knieten zum Beten dicht neben ihm nieder und akzeptierten ihn unbesehen als Kirchenordner.
Langsam schlenderte er zu dem Beichtstuhl zurück. Es war nicht schwierig, ein bereitliegendes Gewand herauszuholen. Den Betschemel hochzuheben und eine Waffe herauszunehmen war schon etwas anderes. Sein Herz klopfte nun doch rascher. Er schob beide Hände unter seine Robe und zog die Baumwollhandschuhe über. Unterwegs kam er noch an einem anderen Beichtstuhl vorbei, der dieselben grünen Vorhänge hatte. Er schob sie beiseite und warf einen Blick in den engen Raum, in dem die Sünder während ihres Bekenntnisses knieten. Er tastete nach dem Betschemel. Er bestand aus einem Stück und ließ sich nicht bewegen. Der andere war vermutlich schon vor Wochen umgebaut worden. Dann ging er wieder die Stufen hinauf und trat hinter den Altar. Die hohen geschnitzten Holzwände deckten die Lichter, die auf dem Altar brannten. Der Durchgang war nicht breit und an manchen Stellen ins Halbdunkel getaucht. Er wußte genau, wo sich die beiden Türen befanden. Durch die Tür gleich hinter dem Beichtstuhl würden der Kardinal, seine Priester und Meßdiener zum Hochamt eintreten. Gleich daneben lag der Ausgang zur 51. Straße, vor dem ein Mann postiert war – das letzte Hindernis auf seiner Flucht. Keller schritt an beiden Türen vorbei und stellte fest, daß alles genau so war, wie er erwartet hatte: An der ersten Tür waren vier Männer postiert, an der zweiten Tür hielt einer Wache. Man hatte Keller gesagt, er sollte sich wegen des Mannes, der innen vor der Tür stand, keine Sorgen machen.
Weitere Kostenlose Bücher