Der Meuchelmord
farbigen Katholiken wird ihm das nichts helfen. Die wissen genau, wo er steht.«
»So Gott will«, sagte der Kardinal, »werden sie ab morgen auch genau wissen, wo die Kirche steht: an ihrer Seite. Sie haben sich in der Kathedrale umgesehen. Ist alles ruhig?«
»Wie immer. Bis auf die Polizisten und die Kriminalbeamten. Die suchen überall nach Gaunern.« Jameson ärgerte sich immer noch über die behördlichen Sicherheitsmaßnahmen in der Kathedrale. Daß erst in letzter Zeit politische Morde geschehen waren, kümmerte ihn wenig. Er glaubte einfach nicht daran, daß so etwas in seiner Kirche möglich sei. Regazzi kannte seine Haltung. Er wußte die Unterstützung durch die Behörden zu schätzen, aber genau wie Jameson hatte er für Vorsichtsmaßnahmen nur Verachtung übrig. Wenn einem der Tod bestimmt ist, kann man doch nichts dagegen tun. Diese Einstellung und sein sizilianischer Fatalismus erschwerten natürlich den Schutz seiner Person.
»Zu einem Mord kommt es höchstens, wenn Sie zu predigen beginnen, Eminenz«, sagte Jameson. »Ich hoffe nur, daß Ihnen der Heilige Stuhl nicht aufs Dach rücken wird.« Er seufzte. Wie die meisten Männer seiner Generation hegte er seine Zweifel hinsichtlich der liberalen Haltung der Kirchenbehörden von Rom. »Der Vatikan ist mehr für ein diplomatisches Vorgehen. Es wird niemandem gefallen, wenn Sie Boxhiebe verteilen.«
»Ich glaube, in diesem Punkt irren Sie sich«, sagte Regazzi. »Und der Heilige Vater wird sicher begeistert sein. Eine der Kopien, die Sie gemacht haben, geht direkt an ihn. Zusammen mit einem Begleitbrief, in dem ich ihm meine Motive darlege.«
»Aber bevor er das Schreiben erhält, haben Sie doch längst die Predigt gehalten«, wandte der Sekretär ein. Für eine Sekunde huschte ein kleines Lächeln über das schmale Gesicht des Kardinals.
»Genau«, sagte er. »Hier geht es nicht um eine interne Angelegenheit, sondern um ein allgemeines Prinzip, das für jedes Geschöpf Gottes gleiche Gültigkeit hat. Es gibt keine minderwertigen Rassen, sondern nur dumme Menschen voller Vorurteile, die so mit sich selbst beschäftigt sind, daß sie Gottes Ebenbild in ihrem Bruder nicht erkennen. Eines Tages, Patrick, wird ein Neger auf meinen Thronsessel vor dem Hochaltar sitzen, wie es auch schon einen Katholiken im Weißen Haus gegeben hat. Das Böse kann nicht triumphieren, weil die Seele des Volkes gut ist. Mit Gottes Hilfe wird John Jackson morgen auf Händen und Knien aus unserer Kathedrale kriechen.«
»Man wird Ihnen vorwerfen, daß er durch Sie die Wahl verliert«, sagte Jameson.
»Das ist auch meine Absicht.« Regazzi machte sich einige Notizen an den Rand des Manuskripts. »Danke, Patrick – diesen Punkt hatte ich noch nicht klar genug ausgedrückt.«
»Kann ich dann zu Bett gehen? Brauchen Sie mich noch, Eminenz?«
»Nein, es ist ja alles fertig. Morgen haben wir alle einen langen Tag vor uns. Gute Nacht und Gottes Segen.«
»Ihnen auch«, murmelte der Monseigneur, während er langsam aus dem Zimmer des Kardinals in sein eigenes hinüberging. Für das, was der Kardinal morgen sagen würde, waren schon Männer gelyncht worden. Kein sehr beruhigender Gedanke zum Einschlafen.
Keller verließ am nächsten Morgen um 8 Uhr 30 sein Zimmer. Das Geld trug er in einem Paket unter dem Arm, das in braunes Packpapier eingewickelt war, wie gewöhnliches Schreibpapier. Er war frisch rasiert und trug den dunklen Anzug, in dem er nach Amerika gekommen war. Er wirkte sauber und unauffällig, ein Ausländer, dem eigentlich nur die Kamera fehlte, um einen perfekten Touristen aus ihm zu machen.
Das Geld hatte ihm einiges Kopfzerbrechen bereitet. Er war nicht sicher, ob er noch einmal in das Zimmer zurückkommen würde. Wenn er etwas zurückließ, wurde sein Zimmer bestimmt vom Hausmeister durchsucht, der einen Zweitschlüssel besaß. Aus seinen genauen Instruktionen wußte er aber, daß niemand unkontrolliert mit irgendeinem Gepäckstück die Kathedrale betreten durfte. Es war ein kalter Morgen. Er fröstelte, stellte den Kragen hoch und wünschte sich nur, daß der Mantel, den er sich auf Elizabeths dringende Bitten gekauft hatte, wärmer und dicker wäre. Die Kälte drang ihm bis auf die Knochen. Um die Finger geschmeidig zu halten, schob er die Hände in die Taschen. Die Baumwollhandschuhe halfen nicht viel.
Er hatte die Zeitspanne für den Weg zur Kathedrale reichlich bemessen und berücksichtigt, daß er sich verlaufen oder in dieser großen, verwirrenden
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