Der Meuchelmord
meisten anderen Monteure hätten ihm sicher eine Tracht Prügel angeboten.
Vielleicht lag es am Benzedrin, vielleicht auch an dem feinen Instinkt, der Peter Matthews gegenüber den anderen tüchtigen jungen Männern auszeichnete, die bei Leary arbeiteten. Er wußte selbst nicht genau, was die Alarmglocke in seinem Gehirn auslöste.
Warum hatte der Kerl nicht geschimpft? Warum benahm er sich so ganz anders? Matthews sprang aus dem Wagen, rannte die drei Stufen hinauf und stieß die Glastür auf. In der Halle war niemand außer dem Portier. Mit einem raschen Blick sah Matthews, wie das Lichtzeichen des Aufzugs von einem Stockwerk zum anderen sprang.
Matthews hatte keine Zeit zu verlieren. Jetzt trieb ihn nicht nur eine böse Ahnung voran. Jetzt war er seiner Sache sicher: Der Mann in dem weißen Overall war nicht echt.
»Wo wollte der Monteur hin?« fragte er den Portier.
»Zu Miß Cameron. Seine Firma ist angerufen worden, weil der Fernseher nicht geht. Er sagt, daß heute eine Menge Leute ihre Apparate repariert haben wollen, weil alle unbedingt den Festzug sehen müssen.«
Natürlich war das eine faule Ausrede. Matthews sprang zum zweiten Aufzug und öffnete die Tür. Ein Overall und ein Lieferwagen. Unter diesem Deckmantel konnte sich der Mann, den sie vor einer Verhaftung bewahren wollte, einschleichen, und wenn sie dann in kurzem Abstand das Haus verließen, würde niemand Verdacht schöpfen. Deshalb hatte sich der junge Mann auch nicht darüber beklagt, daß Matthews ihm den Parkplatz weggenommen hatte. Er wollte unter gar keinen Umständen auffallen. Aber gerade durch dieses Bemühen war er Matthews aufgefallen, mehr noch, als wenn er Krach geschlagen hätte. Der Aufzug glitt lautlos empor. Matthews hielt schon die Pistole in der Hand und legte den Sicherungshebel um, als er den zwölften Stock erreichte.
Elizabeth hielt sich im Wohnzimmer auf, als es läutete. Sie war in der ersten Morgendämmerung aufgewacht und zitterte vor Aufregung. Bei jedem Geräusch zuckte sie zusammen. Sie hatte versucht, sich mit einer Tasse Kaffee zu beruhigen. Die Wohnungstür war verriegelt. An der Fassade des Hauses konnte niemand emporklettern. Sie hatte also gar nichts zu befürchten, und schon in wenigen Stunden würde sie zum Flugplatz fahren.
Sie war fertig angezogen, als die Klingel ertönte. Diesmal brauchte sie bestimmt eineinhalb Stunden bis zum Kennedy-Flughafen. Der fertiggepackte Koffer stand neben der Tür. In ihrer Handtasche steckte ein Brief, den sie während der langen Nachtstunden geschrieben hatte. Er war an Francis Leary adressiert und sollte in den nächsten Postkasten gesteckt werden, bevor das Flugzeug mit ihr und Keller startete. Als nun die Türglocke ertönte, erstarrte sie vor Angst.
Gleich darauf wurde noch einmal geläutet, und jemand klopfte an die Tür. Keller! Vielleicht hatte Keller seinen Plan geändert und war gleich zu ihr gekommen. Elizabeth überzeugte sich davon, daß Riegel und Kette vorgelegt waren. Es konnte niemand herein, wenn sie nicht öffnete. Sie ging langsam auf die Tür zu.
»Wer ist da?«
Vor der Tür stand der Mann, der Keller seine Anweisungen erteilt hatte. Er trat einen Schritt zurück. Dann zog er eine Schmeiser-Automatic aus der Werkzeugtasche und zielte auf die Türfüllung. Vorher mußte er sich davon überzeugen, daß die Frau wirklich genau in der Schußlinie stand. Die Kugel würde die Tür durchdringen wie ein heißes Messer die Butter. Ein Feuerstoß, und sie mußte auf diese kurze Distanz praktisch auseinandergesägt werden.
»Miß Cameron? Sind Sie das?«
Elizabeth meldete sich, und im selben Augenblick sprang Matthews aus dem zweiten Lift. Er schoß den Mann im weißen Overall eine Kugel in den Hinterkopf. Die kurze, handliche Automatic fiel ihm aus der Hand, und er sank in die Knie.
Am Halsansatz klaffte ein kleines rundes Loch, aus dem eine Menge Blut floß. Matthews beugte sich über ihn. Er zerrte die Schmeiser unter seiner Leiche hervor und sicherte sie. Klug ausgedacht – mit einer solchen Waffe kann man jeden auch durch eine geschlossene Tür umbringen.
»Elizabeth? Mach auf, ich bin's – Peter. Los, mach schon auf und sieh dir selbst an, wen du schützen wolltest!« Er hörte einen dumpfen Aufschrei, dann wurden Riegel und Kette entfernt. Sie stand im Türrahmen und starrte erst Matthews, dann den Toten an, der zusammengekrümmt vor ihren Füßen lag.
Matthews hielt ihr die Schmeiser entgegen. »Dein Freund wollte dich gerade
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