Der Meuchelmord
wohin er gehen sollte, da habe ich ihn hier in meiner Wohnung behalten. Ich hatte keine Ahnung, weshalb er gekommen war. Du wirst es zwar nicht glauben: Aber er hat's auch nicht gewußt. Er hat es erst gestern erfahren. Ich habe ihn gesehen, Pete. Ich habe ihn dazu überredet, seinen Auftraggebern ein Schnippchen zu schlagen. Das Mädchen, das in Beirut erdrosselt wurde, war seine Freundin. Er mochte sie sehr gern. Diese Leute bezahlen ihm eine Menge Geld, und ich habe ihm mehr geboten – aber er wollte es nicht annehmen.« Sie hob den Kopf und sah zu ihm hinauf. In ihren Augen war kein Trotz mehr, sondern nur noch die inständige Bitte, ihr Glauben zu schenken. »Er ist ganz anders, als du denkst, Pete. Er wollte kein Geld von mir nehmen. Er hat mir versprochen, sich heute mit mir zu treffen und das Land zu verlassen. Es wird zu keinem Mord kommen. Du hast keinen Grund, ihn einzusperren.«
Matthews bedrängte sie nicht. Er hatte ihren Blick auf die Uhr bemerkt und sofort erraten, daß sie ihn bis zu einem bestimmten Zeitpunkt hinhalten wollte. Mehr würde er von ihr nicht erfahren, bis dieser Mann in Sicherheit war. Wahrscheinlich waren sie auf dem Kennedy-Flughafen verabredet. Sie versuchte nun, das Gespräch hinauszuziehen, bis dieser Mann den Flughafen erreicht hatte und sicher in seiner Maschine saß.
Er zündete sich eine Zigarette an. »Um Jackson ging es also. Ja, das könnte stimmen. Ich würde ihm kaum eine Träne nachweinen.« Er gab sich Mühe, ihr gegenüber eine freundlichere Haltung einzunehmen. Er sah sie mit seinem gewohnten Lausbubenlächeln an. Dann kam er zu ihrer Überraschung näher und legte ihr die Hand auf die Schulter.
»Du siehst schlecht aus«, sagte er. »Ich hole dir etwas zu trinken.«
»Danke, ich möchte nichts«, antwortete Elizabeth. Plötzlich wandte sie sich ab und begann zu weinen. »Gut, daß du gekommen bist«, stieß sie hervor. »Eine Minute später, und ich wäre tot gewesen.«
»Ein Feuerstoß aus diesem kleinen Spielzeug hätte dich glatt zerrissen. Da, trink, dann fühlst du dich wieder wohler.« Sie gehorchte. Es war für sie eine große Erleichterung, wenigstens für einige Minuten jemanden zu haben, an den sie sich anlehnen konnte. Genau das war Matthews' Absicht. Er beugte sich nieder und legte einen Arm um sie. »Sieh mal«, sagte er freundlich, »ich will ja nicht so sein, Liz. Aber du weißt, daß ich meine Pflicht tun muß. Du hast ja selbst gesehen, mit welchen Leuten Leary es zu tun hat. Weißt du schon das Neueste? Wir haben Eddi King gefaßt. Er wurde gestern abend verhaftet.«
»Bist du ganz sicher?«
»Er wird gerade verhört«, antwortete Matthews. Er sah die weichen Lippen dicht vor sich, spürte den Duft ihres Haars. Was mochte dieser Kerl wohl mit ihr angestellt haben, als er vierzehn Tage lang allein mit ihr in dieser Wohnung war? Bestimmt hatte er seinen Spaß und brachte es fertig, sie so abhängig zu machen, daß sie bereit war, mit ihm zu fliehen, obwohl sie wußte, daß er nicht besser war als der Mörder hinter der Küchentür. Vielleicht sind Mörder gute Liebhaber, überlegte Matthews. Kann sein, daß diese beiden Talente etwas miteinander zu tun haben. Ob es für Frauen besonders aufregend war, mit ihnen zu schlafen?
»Du liebst ihn wirklich, nicht wahr?« fragte Matthews. Auch er konnte ihre Uhr erkennen: 10 Uhr 20. Die Zeit verging.
»Ja«, flüsterte sie. »Ich liebe ihn, Pete, und er liebt mich.« Eine wilde Hoffnung zuckte in ihr auf. Sie drehte sich um und lag beinahe in seinen Armen.
»Pete, läßt du mich zu ihm gehen? Bitte, Pete, ich flehe dich an.« Er antwortete nicht gleich, sondern tat, als müßte er nachdenken.
»Das wird nicht gehen, Liz, ich habe Befehl, ihn zur Vernehmung vorzuführen.«
»Aber das brauchst du doch nicht. Ich habe dir doch schon alles gesagt. Sieh mal, ich habe Mr. Leary einen Brief geschrieben und ihm darin alles erklärt. Du brauchst Bruno gar nicht. Er weiß noch weniger, als ich dir schon gesagt habe. Bitte, Peter, wenn du noch irgend etwas für mich empfindest, wenn du jemals etwas für mich übriggehabt hast – dann laß mich gehen und verfolg mich nicht!«
Er hielt sie immer noch fest und ließ sie betteln. Allmählich gab er nach. Als er sich aufrichtete, glaubte sie einen Sieg errungen zu haben.
»Dir gegenüber war ich immer schon machtlos«, sagte Matthews. »Vielleicht hatte ich Angst davor, dich zu heiraten, Liz, aber etwas ist doch hängengeblieben. Außer dir hat mir keine
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