Der Meuchelmord
sich zusammen. Ich muß noch eine Weile durchhalten, hämmerte er sich ein. Gib dem Mann in der Kathedrale Zeit genug, seinen Auftrag auszuführen und sich anschließend erschießen zu lassen. Gib dem anderen Kollegen Zeit, Elizabeth Cameron zu erledigen. Dann konnte er allmählich so tun, als gäbe er nach. Allerdings nur so viel, daß die Belastung ein wenig erträglicher wurde und diese Leute etwas zu tun hatten. Er ging zu seinem Stuhl zurück und setzte sich. Dabei zuckte er schmerzhaft zusammen.
»So, meine Herren«, sagte er zu den drei neuen Gesichtern. »Vielleicht gestatten Sie mir, daß ich meinen Anwalt anrufe?«
Peter Matthews hatte die ganze Nacht nicht geschlafen. Er hockte auf dem engen Sitz hinter dem Steuer seines Wagens und hielt sich mit Benzedrin-Tabletten und Zigaretten wach. Sie hatte das Gebäude noch nicht verlassen. Einige Leute waren gekommen und gegangen, darunter vielleicht auch ihr Freund, aber Leary war ja davon überzeugt, daß sie versuchen würden, gemeinsam zu fliehen. Matthews hatte es längst aufgegeben, Leary das Denken abzunehmen. Er richtete sich nach seinen Anweisungen und wartete. Im Lauf der Nacht meldete er sich zweimal in der Zentrale und erkundigte sich nach King. Keinerlei Fortschritt, lautete die Antwort. Er hatte so schnell auch gar nicht damit gerechnet. Wer den Mut und die Ausdauer eines sowjetischen Spitzenagenten unterschätzte, war ein Narr. Nach Matthews Meinung behandelten ihn seine Kollegen zu vorsichtig. Auf diese Art und Weise konnte es vierzehn Tage dauern, ehe ein Mann mit starken Nerven und einer gesunden Konstitution zusammenbrach. Matthews war müde, wütend auf sich selbst und nervös durch die Aufputschmittel, die er genommen hatte. Wenn man ihm diesen Mr. King überlassen würde, wäre es ihm sicher mit Hilfe von zwei oder drei Kollegen gelungen, bis zum Abend die Antworten aus ihm herauszuholen.
Um acht Uhr wurde es hell. Die Innenstadt erwachte nach dem langen Wochenende wieder zum Leben. Der Geräuschpegel stieg an, der Verkehr wurde dichter. Ein Verkehrspolizist kam auf ihn zu, frierend und böse, in einer Stimmung, die durchaus diesem Märzmorgen entsprach.
»Weg da, sehen Sie denn nicht, daß hier Parkverbot ist?« Matthews zeigte ihm seinen Ausweis. Er sagte dazu kein Wort. Er hielt nur die hohle Hand mit dem Etui hoch.
»Verzeihung, Sir.« Der Beamte trat von dem Wagen zurück. Er verfluchte das FBI mitsamt allen Iren und dem St.-Patricks-Tag. Für die Polizei war die Hölle los. Der ganze Verkehr geriet ins Stocken, und der gottverdammte Festzug blockierte nicht nur die 43. bis 46. Straße, sondern auch noch die Fifth Avenue vom Central Park bis hinauf zur 86. Straße. Der Mann wurde jedesmal böse, wenn ihn jemand für einen Iren hielt, bloß weil die meisten Polizeibeamten Iren sind. Deshalb verteilte er am 17. März immer besonders großzügig Strafmandate.
Peter Matthews steckte das Etui wieder ein. Wenn ich nur eine Thermoskanne mit heißem Kaffee mitgebracht hätte, dachte er. Aber er wagte es nicht, seinen Posten auch nur für einen Augenblick zu verlassen. Gerade zu dieser Zeit konnte Elizabeth Cameron herauskommen.
Er beschloß, seinen Wagen unmittelbar vor dem Eingang zu parken, auf dem Platz, der für die Bewohner reserviert war. Für fünf Dollar würde der Portier das bestimmt für ihn besorgen. Matthews hatte stets darauf geachtet, sich mit dem Mann gutzustellen. Er mogelte sich in den Verkehr hinein, wendete trotz des wütenden Gehupes der anderen Fahrzeuge mitten auf der Straße und bugsierte seinen Wagen in die U-förmige Ausbuchtung. Es war der letzte freie Platz hier. Er zog die Handbremse an und schaltete den Motor ab. Der Reparaturwagen einer Fernsehfirma, der kurz hinter ihm einbog, hatte das Nachsehen. Er blockierte die Einfahrt. Matthews rechnete damit, daß der Fahrer ihm Schwierigkeiten machen würde. Im Rückspiegel sah er, wie der Mann ausstieg. Er war jung, dunkelhaarig, untersetzt und trug den weißen Overall des Monteurs mit dem Namen der Firma in großen roten Buchstaben auf Vorder- und Rückseite. Aber er ging an Matthews vorbei, ohne ein Wort zu sagen. Mit der Werkzeugtasche in der Hand stieg er die Stufen hinauf und verschwand im Eingang. Matthews beobachtete ihn zerstreut und war immer noch ein wenig überrascht darüber, daß sich der Fahrer so ohne weiteres einen Parkplatz vor der Nase wegschnappen ließ. Ansonsten herrschte unter den Verkehrsteilnehmern New Yorks nicht viel Höflichkeit. Die
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