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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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andere Frau etwas bedeutet. Na schön, wenn du so an ihm hängst, muß er es wohl wert sein. Ich gehe jetzt. Ich nehme den Brief für Leary mit und spreche mit der Polizei. Nimm deinen Koffer und verschwinde. Aber ich darf es nicht sehen.«
    Sie trat auf ihn zu und schlang ihm beide Arme um den Hals. Als sie ihn küßte, blieb auf seinen Lippen der salzige Geschmack von Tränen zurück, die sie für einen anderen weinte.
    »Ich danke dir, Peter.«
    Er ging in die Küche und schlug die Tür zu. Der Lieferanteneingang war verriegelt. Er zog beide Riegel zurück und lief auf den Korridor hinaus. Es gelang ihm gerade noch, im nächsten Lift zu verschwinden, da hörte er Elizabeths Wohnungstür klappen. Er erreichte die Halle eine Minute vor ihr. Vom Portier war nichts zu sehen. Der bemühte sich gerade, den Werkstattwagen unten wegzufahren, wobei ihm ein wütender Hausbewohner zusah. Noch bevor Elizabeth die Halle erreichte, saß Matthews schon in seinem Wagen und fuhr weg.

6
    Der Kardinal war kleiner, als Keller ihn sich vorgestellt hatte. Im Fernsehen und auf Zeitungsfotos wirkte er immer wie ein stattlicher Mann. Er war in einer Entfernung von wenigen Metern an ihm vorbeigekommen und sah aus, als drücke ihn das Gewicht seines Ornats nieder. Das Gesicht war lebendiger, schmaler; er hatte die dunklere Haut des Südländers und leuchtende schwarze Augen, die wie Kohlen brannten. Es war das Gesicht eines Asketen, eines abgehärmten mittelalterlichen Märtyrers auf einem heidnischen Feuerstoß. Keller beachtete alle anderen nicht mehr. Vor dieser schmächtigen Gestalt im leuchtendroten Ornat traten alle anderen Priester zurück, und selbst die Meßdiener in ihren weißen Gewändern wirkten nur noch mittelmäßig. Der Zug schritt langsam und feierlich vorüber. Vor dem Kardinal wurde ein großes goldenes Kreuz hergetragen. Es schwankte und schimmerte über seinem Kopf im Widerschein der Lichter.
    Keller trat in die Schatten zurück und drängte sich möglichst dicht an die Wand. In diesem Augenblick hatte er ein einwandfreies Ziel. Der Kopf mit dem roten Käppchen schwankte vor ihm hin und her wie der Fußball im Geäst des Baums im Libanon, wo er seine Probe bestanden hatte. Es wäre leicht gewesen, den Kardinal mit einem einzigen Schuß zu töten. Keller schloß sich dem Zug an. Er schritt auf gleicher Höhe mit den drei Priestern in ihren herrlichen weiß-goldenen Ornaten dahin, die gemeinsam mit dem Kardinal das Hochamt zelebrieren sollten. Wenige Stufen führten ins Hauptschiff der Kirche hinab. Der Kardinal hatte sich bereits zum Hochaltar gewandt, um seinen Platz auf dem Thronstuhl einzunehmen. Die Priester folgten ihm gemessenen Schritts im Takt der feierlichen Orgelmusik. Keller ging hinter ihnen die Stufen hinunter und mischte sich in die Menge der ersten Seitenbänke. Hinter ihm spielte der Kriminalbeamte Smith, der an der Tür zur 50. Straße wartete, mit seiner Waffe und stellte sich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können, was da unten vorging. Der richtige Zeitpunkt war längst verstrichen. Die Kugel hätte den Kardinal treffen müssen, bevor er die Stufen erreichte. Jetzt könnte alles schon vorüber sein. Er sah den Attentäter nicht. Vorhin hatte er noch drüben an der Wand gestanden, genau an der richtigen Stelle, und nun war er plötzlich fort, und der feierliche Zug zerstreute sich vor dem Hochaltar. Der Choral Kyrie eleison wurde angestimmt. Zweitausend Gläubige sanken in die Knie. Jetzt konnte man den Kardinal nur noch durch einen direkten Schuß vom Altar aus treffen. Der Mann sah sich rasch um. Irgend etwas war schiefgegangen. Der Mörder hatte im letzten Augenblick gekniffen. Er verließ seinen Posten und ging die Stufen hinunter ins Hauptschiff.
    »He!« Er drehte sich um und entdeckte einen der CIA-Männer dicht neben sich. »Sie dürfen den Ausgang nicht verlassen.«
    »Schon gut«, fauchte er zurück, »ich wollte mich ja nur mal umsehen.« Er blieb jetzt auf seinem Posten. Er war nun schon seit fünfzehn Jahren bei der Polizei und immer noch ein einfacher kleiner Kriminalbeamter. Mit dreiundvierzig war er enttäuscht und versauert, ein Mann, der nur ans Geld dachte. Seit vier Jahren nahm er Bestechungsgelder an. Und dafür, daß er die Pistole und das Gewand des Meßdieners in dem Beichtstuhl versteckt hatte, bekam er nur tausend Dollar. Zehntausend waren ihm versprochen worden, wenn er Regazzis Mörder tötete, bevor er auf die Straße hinausgelangen konnte. Die Pistole hatte er

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