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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Worte kaum hervor. »Amerikanische Dollar. Und einen Paß auf irgendeinen beliebigen Namen. Aber mehr erfahren Sie im Augenblick nicht. Ich soll Ihnen ausrichten, Sie können annehmen oder ablehnen. Fünfzigtausend amerikanische Dollar – großer Gott!« Er wischte sich mit einem hellen Seidentuch übers Gesicht. Seine Haut schimmerte ölig vor Schweiß.
    »Ich brauche zwei Pässe«, sagte Keller. Er zündete sich eine frische Zigarette an. Auch er schwitzte, aber das brauchte der Libanese nicht zu merken. Fünfzigtausend Dollar! Seine Kehle war ausgetrocknet, und seine Finger zitterten. Fünfzigtausend.
    »Zwei Pässe«, wiederholte er. »Einen für mich, einen für Souha. Und zehntausend a conto – für sie. Gehen Sie und sagen Sie das den Leuten. Los, gehen Sie schon, Sie schmieriger Kerl. Oder muß ich aussteigen und selbst fragen?«
    Fuad machte sich zum zweitenmal auf den Weg. Keller fuhr sich mit zwei Fingern hinter den Hemdkragen und spürte, wie ihm der Schweiß den Rücken hinunterlief. Er hatte schon ungezählte Menschen für ein paar Sou pro Tag getötet. Fünfzigtausend Dollar für einen einzigen Mann. Für einen König, einen Fürsten, einen Politiker, vielleicht einen Rivalen in einer Verbrecherorganisation, wo es um Opium oder Kokain ging. Bisher war ihm ein Menschenleben immer billig erschienen. Er lehnte sich zurück und stieß über den eigenen Scherz ein bitteres Lachen aus. Er hatte ja keine Ahnung, wie teuer ein Leben sein konnte.
    »In Ordnung.« Fuad stieg ein und schlug seine Tür zu. »Zehntausend sofort und ein Paß für das Mädchen. Wenn alles erledigt ist, bekommen Sie Ihren Paß und den Rest.«
    »Gut«, sagte Keller, »einverstanden. Hupen Sie zweimal. Die Sache ist abgemacht.«

2
    »Du sollst mir lieber sagen, worum es geht.« Keller hatte ihr für hundert Dollar Kleider und Schuhe gekauft. Er hatte ihr auch den Paß gezeigt. Ein Boot hatte ihn gebracht, und nun war sie Bürgerin des Libanon.
    Keller erklärte ihr: »Jetzt kannst du überall hinfahren, wohin du willst. Sieh her – du hast jetzt eine Staatsbürgerschaft, du bist Libanesin und kein staatenloser Flüchtling mehr.«
    »Ich will aber nirgends hin«, sagte sie. »Ich bin hier sehr glücklich. Und ich will keine Libanesin sein. Ich komme aus Palästina. Das alles will ich gar nicht. Was hast du diesen Leuten versprochen, damit sie dir all das gegeben haben?«
    Keller trat auf sie zu, legte ihr beide Hände auf die Schultern und schüttelte sie. Ganz vorsichtig und behutsam, wie ein störrisches Kind.
    »Das geht dicht nichts an. Ich weiß genau, was ich tue, du mußt mir vertrauen. Ich hab' dir doch gesagt, daß wir ein neues Leben beginnen wollen. Wir werden nicht mehr wie die Hunde leben, die in stinkenden Mülltonnen nach Futter suchen. Wir werden reich sein, sehr reich, kleiner Dummkopf. Und jetzt sei still und pack mir ein paar Sachen da in den Koffer.«
    Sie hielt den Kopf gesenkt, und ihre dunklen Haare verhüllten das Gesicht. Aber er wußte, daß sie weinte.
    »Ich habe Angst«, flüsterte sie. »Ich weiß nicht, warum, aber mein Herz ist voller Angst um dich.« Sie sah zu ihm auf. »Ich habe Angst um uns beide. Aber ich werde tun, was du sagst. Ich werde hier warten, bis du zurückkommst. Laß mich jetzt los, Bruno, ich werde dir alles herrichten.«
    Er hatte die zehntausend Dollar bei der Bank des Libanon deponiert und Auftrag erteilt, ihr ein wöchentliches Taschengeld auszuzahlen. Er hatte ihr nicht gesagt, wieviel Geld sie besaß. Es war für sie sicherer, wenn sie das nicht wußte. Wenn er nicht mehr zurückkehren sollte, würde die Bank die regelmäßigen Auszahlungen fortsetzen, und sie war für den Rest ihres Lebens sichergestellt. Aber Keller fühlte, daß es ihr gleichgültig gewesen wäre, auch wenn er es ihr gesagt hätte. Sie war der am wenigsten eigennützige Mensch, der ihm je begegnet war. Ihr ging es nur um ihn. Es war ihm fast peinlich, so sehr geliebt zu werden. Sie hatte ihn nie gefragt, ob auch er sie liebte. Wahrscheinlich sagte ihr der weibliche Instinkt, daß das nicht der Fall war. Der Gedanke, daß unter allen Umständen für sie gesorgt war, beruhigte sein Gewissen etwas. Sie brauchte sich nie wieder Geldsorgen zu machen. Sie besaß sogar etwas, das den Flüchtlingen wie ein heiliger Gral erschien – einen gültigen Paß. Wenn er schon nicht fähig war, sie zu lieben, so hatte er doch zumindest etwas für sie getan.
    »Du sollst glücklich sein, während ich fort bin«, sagte

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