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Der Meuchelmord

Titel: Der Meuchelmord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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war, würde man ihn vielleicht hervorzerren und als Beispiel dafür hinstellen, wieviel Lücken das System aufwies, das angeblich die Sicherheit der USA schützen sollte. So etwas machte Huntley Spaß. Er brauchte immer wieder neue Skandale. Die Politiker mußten dauernd auf dem Sprung sein. Es mußte ihnen immer wieder vor Augen geführt werden, daß man dem amerikanischen Volk nicht ungestraft auf der Nase herumtanzen durfte. Jedenfalls so lange nicht, wie Huntley Cameron über dieses Volk wachte.
    King hatte ihr erklärt, was sie tun mußte: Rechnung bezahlen, das Hotel verlassen, das Taxi nehmen, das um elf Uhr auf sie warten würde. In dem Taxi sollte der Fremde sitzen. Der Flug war mit nur zwei Zwischenaufenthalten in Rom und Genf gebucht.
    Die Tür ging auf, und zwei Boys holten die Koffer. Sie folgte ihnen ein paar Minuten später. Als sie das Zimmer verließ, nahm sie den überwältigenden Duft von Kings Rosen mit.
    Keller sah sie die Treppe herunterkommen. Sie fiel ihm auf, weil sie selbst nach den Maßstäben einer verwöhnten internationalen Großstadt wie Beirut eine Schönheit war. Auf der obersten Stufe blieb sie für einen Augenblick stehen; ihr blondes Haar leuchtete in der Wintersonne, mit einer Hand hielt sie den Kragen ihres teuren Nerzmantels am Hals geschlossen.
    Als ihr ein Portier den Wagenschlag öffnete, lehnte sich Keller rasch zurück. Er war gemäß seiner Anweisung mit dem Taxi gekommen, ohne zu wissen, wen er abholen sollte. Er hatte vor allen Dingen nicht damit gerechnet, daß es eine Frau sein würde. Sie gab sich Mühe, beim Einsteigen seinem Blick auszuweichen. Die Wagentür fiel ins Schloß.
    Der Fahrer drehte sich um und fragte: »Jetzt zum Flughafen?«
    Keller antwortete entsprechend den Anweisungen, die Fuad ihm mitgegeben hatte: ›Kontaktmann abholen, zum Flughafen weiterfahren, am Schalter der American Express Company nach einem Päckchen für einen gewissen Nahum fragen.‹ Dieses Päckchen sollte sein Geld und seinen Paß enthalten.
    »Ja, und beeilen Sie sich.«
    Er zog eine Zigarettenpackung aus der Tasche und wandte sich an das Mädchen. »Rauchen Sie?«
    »Ja, danke.« Sie beugte sich über das Streichholz, das er ihr hinhielt, und er bemerkte bei dieser Gelegenheit, daß sie vom Profil her ebenso schön war wie en face.
    Keller blies das Streichholz aus und fragte sich: Was zum Teufel hat eine Frau in diesem Geschäft zu suchen? Das soll eine unauffällige Begleitung sein? Ärgerlich brach er das Streichholz entzwei. Die Sache gefiel ihm nicht: Es paßte ihm nicht, daß alles ganz anders lief, als er sich vorgestellt hatte. Diese Begegnung war in gewisser Weise ebenso makaber wie der schwarze Mercedes mit dem unsichtbaren Insassen hinter der Milchglasscheibe, wie die zwei unpersönlichen Hupsignale. Was fiel diesen Leuten eigentlich ein, ihm eine Frau mitzugeben?
    »Wenn der Verkehr noch dichter wird«, sagte er plötzlich, »werden wir die Maschine verpassen.«
    Er fühlte ihren Blick und drehte sich zu ihr um. Sie wollte ihn anscheinend etwas fragen, aber er deutete mit einer Kopfbewegung zum Fahrer nach vorn. In diesen Taxis gab es keine Trennscheiben. Libanesen sind neugierige Leute. Sie lauschen immer, weil sie einfach nicht anders können.
    Sie verstand sofort und lehnte sich wieder in ihre Ecke zurück. Schweigend brachten sie die Fahrt in fünfundzwanzig Minuten hinter sich. Er sah durch seine beiden Fenster hinaus und rauchte. Elizabeth beobachtete ihn, wenn sie ganz sicher war, daß er es nicht bemerkte. Er verhielt sich sehr ruhig und machte keine einzige überflüssige Bewegung. Sein Alter war schwer abzuschätzen. Vielleicht irgendwo zwischen dreißig und vierzig. Seine Nationalität war ebenso unbestimmbar wie sein Akzent. Nach den wenigen Worten, die bisher zwischen ihnen gewechselt worden waren, hätte sie auf einen Franzosen getippt.
    Er spürte ihren Blick und drehte sich um. Seine blauen Augen lagen tief in dem sonnenbraunen Gesicht, das von Hitze und Kälte gegerbt war. Er schien gar nicht zu wissen, was Lächeln ist. »Wir sind fast da«, sagte er. Ihm wäre es lieber gewesen, wenn sie ihn nicht so angestarrt und dann plötzlich wieder den Blick abgewandt hätte, als wäre er ein seltenes Tier. Er kam sich tatsächlich wie ein Tier vor – feindselig und stets auf der Hut.
    Solange er das Päckchen auf dem Flugplatz nicht geöffnet hatte, wußte er nicht einmal, wohin die Reise ging. Da er sein Leben nur seinem Verstand verdankte, war dieser zu

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