Der Meuchelmord
einer scharf geschliffenen Waffe geworden. Er wußte nicht, was vor ihm lag, und er hätte schwören können, daß dieses leicht verwirrte Mädchen an seiner Seite auch keine Ahnung hatte. Eine eigenartige und sehr gefährliche Lage. Er beschloß, sie später in der Maschine ein wenig auszuhorchen. Er versuchte, sich nach ihrer Kleidung ein Bild von ihr zu machen, aber es gelang ihm nicht. Der Nerzmantel besagte gar nichts. Bis auf die Wüstenscheichtümer war der ganze Vordere Orient um diese Jahreszeit eine kalte Gegend. Je länger er darüber nachdachte, um so unwahrscheinlicher kamen ihm seine ursprünglichen Annahmen vor. Jordanien kam vielleicht noch in Betracht, aber sein Instinkt sagte nein.
Er stieg aus und bezahlte das Taxi. Ein Gepäckträger lud die Koffer auf einen Wagen und schob sie in die Halle. Sekundenlang standen sie nebeneinander. Dann fragte Elizabeth: »Ich nehme an, Sie haben Ihre Flugkarte schon?«
»Sie liegt drin für mich bereit«, antwortete Keller. »Und Sie?«
»Ich habe meine hier in der Handtasche.«
»Dann gehen Sie schon durch. Wir treffen uns nachher beim Abflug.«
Der Mann am Schalter von American Express händigte ihm einen Umschlag aus. Er unterschrieb die Quittung mit D. Nahum. Nahum war ein libanesischer Name und ungefähr ebenso häufig wie Schmidt in Deutschland. Er riß den Briefumschlag auf und fand darin einen grün eingebundenen amerikanischen Paß mit dem Adler auf der Vorderseite. Auf dem zweiten Blatt stand sein Name: Andrew James Teller, 38, Größe 1,77; Haarfarbe blond; Augen blau; keine besonderen Merkmale. Das stimmte nicht, dachte er bei sich. Sein Oberkörper wies einige häßliche Narben auf, Andenken an zwei Vietminh-Kugeln und einige Raufereien in Algier.
Teller – sehr schlau gewählt. Dieser Name war seinem eigenen so ähnlich, daß er auch automatisch richtig antworten würde. Die Insassen dieses Mercedes verstanden ihr Handwerk. Mit einer großen Heftklammer waren tausend Dollar und die Flugkarte an dem Paß befestigt. Der Flug war bis New York gebucht. Keller steckte Geld und Paß in die Hüfttasche. New York. Und er hatte an einen kleinen Auftrag irgendwo in der Nähe gedacht. Was für ein Narr war er doch gewesen: so viel Geld, amerikanische Dollar – das hätte ihm doch sagen müssen, daß es um eine große Sache ging, die für ihn vielleicht um ein paar Schuhnummern zu groß war. Er war nichts weiter als ein Staatenloser, ein Mann, der nur ein einziges Talent besaß: Er verstand es, aus der Entfernung sicher zu töten. Er zeigte am Schalter sein Ticket und ging zum Abflug durch. Dort saß die Amerikanerin und las eine Zeitung. Er ging an ihr vorbei in die Bar und bestellte sich einen doppelten Whisky. An der Art, wie die beiden Barmixer den Kopf hoben, merkte er, daß sie neben ihm stand.
»Für mich auch einen«, sagte sie. »Ich fliege nicht gern. Kann ich bitte Soda dazu haben?«
Keller legte das Geld auf die Bar. »Sie müssen sich beeilen, wir werden gleich aufgerufen.« Er war das Fliegen nicht gewöhnt. Seine Erfahrungen damit beschränkten sich auf französische Militärtransporte.
»Ist schon in Ordnung.« Das Mädchen lächelte zum erstenmal. »Das hier ist kein großer internationaler Flughafen, hier läuft alles viel gemütlicher ab. Wir können in aller Ruhe austrinken und dann an Bord gehen.«
»Sie kennen den Libanon gut«, bemerkte Keller.
»Nein, aber ich bin oft in ähnlichen Gegenden gewesen. Am besten gefällt mir noch Beirut. Dort sind die Leute netter.«
»Ja«, sagte er, dann trank er aus. »Aber nur wenn man Geld hat. Damit kann man fast alle Menschen kaufen.«
»Sie auch?« Eigentlich wollte sie das gar nicht sagen, aber sie empfand seine arrogante Haltung als einen persönlichen Affront. Er schob sein Glas vor, schnippte mit den Fingern und ließ sich noch einmal einschenken.
»Natürlich«, antwortete er knapp. »Das sollten Sie doch wissen.«
»Ich weiß überhaupt nichts von Ihnen«, sagte Elizabeth. »Ich weiß nur, daß wir zusammen nach New York fliegen.«
»Und Sie verdienen nichts daran?« Er drehte sich zu ihr um. Der erste Whisky entfachte ein kleines wärmendes Feuer in seinem Magen. Er schickte schnell den zweiten hinterher. Der Zorn färbte ihr Gesicht ein wenig dunkler. Das amüsierte ihn. Sie war es nicht gewöhnt, so angesprochen zu werden. Mit Männern von seinem Schlag hatte sie noch wenig Erfahrung.
»Ich habe nichts weiter davon als das Vergnügen Ihrer Gesellschaft«, sagte sie
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