Der Meuchelmord
hatte einen verkniffenen Mund, und das graue Haar war um seinen Schädel zu einer Art Heiligenschein hochgebürstet. In seinen engen Äuglein hinter der Stahlbrille lag ein falsches Lächeln. Dann wechselte das Bild, und auf dem Schirm erschien der Kardinal. Er schaltete den Apparat sofort aus. Er wollte nichts über Regazzi hören und sein Gesicht nicht sehen. Das wäre nur eine Belastung für morgen gewesen.
Als Elizabeth klopfte, glaubte er, es sei wieder der Hausmeister, der die Miete für die nächste Nacht von ihm haben wollte. »Was wollen Sie?« rief er. Aber anstatt einer Antwort klopfte es ein zweites Mal. Er ging zur Tür.
»Wer ist da?«
»Ich bin's, Bruno. Bitte, laß mich herein.«
Er öffnete zögernd die Tür und trat zurück. Sie wartete gar nicht erst ab, bis er etwas sagte. Sie fiel ihm sofort um den Hals.
»Gott sei Dank, daß ich dich gefunden habe«, stieß sie nur hervor.
Im ersten Augenblick regte sich Keller nicht. Fast automatisch hob sich seine Hand zu ihrem Haar, weil er sie immer gestreichelt hatte, wenn sie in seinen Armen lag. Er zwang sich dazu, die Hand wieder sinken zu lassen und sie wegzuschieben. Daß sie hier vor ihm stand, konnte er kaum fassen.
»Wie hast du mich gefunden?« fragte er. »Warum bist du hergekommen?«
Sie zog ihren nassen Mantel aus und sah sich im Zimmer um. »Du hast die Adresse auf einen Block geschrieben, den habe ich nachher gefunden. Aber jetzt ist nur das Warum wichtig.«
»Also warum?« fragte Keller. »Zwischen uns ist es aus. Meine Rosen waren ein Lebewohl. Ich kann dich hier nicht gebrauchen, Elizabeth. Zieh deinen Mantel wieder an und geh.« Er trat zur Tür.
»Versuch gar nicht erst, mich hinauszuwerfen«, sagte sie ruhig. Regentropfen glitzerten auf ihrem Haar und auf ihrem Gesicht. »Und es hat auch keinen Sinn, mich noch einmal anzulügen. Ich weiß, warum du hergekommen bist: Du sollst im Auftrag meines Onkels und dieses Eddi King John Jackson ermorden. Ich biete dir das Doppelte von dem, was du von den beiden bekommst, damit du es nicht tust.«
Sekundenlang war es still in dem Zimmer. Draußen fuhr ein Auto vorbei, dann verklang das Geräusch. Keller wartete ab und spürte, wie hart sein Herz klopfte.
»Warum bist du nicht zur Polizei gegangen?«
»Weil ich zuerst dich finden wollte«, sagte sie. »Ich konnte dich doch nicht verraten, Bruno. Oder weißt du nicht, daß ich dich liebe?«
»Das geht dich nichts an«, sagte er zornig. »Ich hab' dir doch schon einmal gesagt, du sollst dich da 'raushalten. Und nun zum letztenmal: Geh nach Hause.«
»Es geht mich doch etwas an«, widersprach sie. Sie zündete sich eine Zigarette an und setzte sich auf den einzigen Stuhl. »Unser Geheimdienst hat Wind von der Sache bekommen. Beim CIA weiß man, daß King ein kommunistischer Agent ist. Du arbeitest also für die Kommunisten.«
»Und dein Onkel?« fragte Keller. »Was ist mit ihm?«
»Er wird von den Kommunisten mißbraucht und kennt die Wahrheit nicht. Aber er ist auch nicht besser. Er bezahlt dich ja dafür, Bruno. Ein Mord bedeutet ihm gar nichts.« Sie stand auf und streckte ihm beide Hände entgegen, aber er rührte sich nicht.
»Na gut, dann muß ich es dir also sagen«, fuhr sie fort. »Wenn dich schon das Geld nicht überzeugen kann, dann laß dich wenigstens von der Tatsache überzeugen, daß du es nie bekommen wirst. Gleich nachdem du Jackson getötet hast, wird man dich töten, um zu verhindern, daß du verhaftet wirst und aussagst. Aber das ist noch nicht alles. Ich fürchte, man hat auch deine Freundin in Beirut ermordet.«
Er packte sie wie ein Tier, das seine Beute anspringt. Seine Finger gruben sich in ihren Oberarm, und er schüttelte sie.
»Souha! Was willst du damit sagen? Was ist mit Souha?«
»Tu mir nicht weh«, sagte Elizabeth ruhig. »Ich will dir alles erzählen. Sie wurde erdrosselt, und ein anderer Mann wurde mitsamt seiner Familie in seinem Auto in die Luft gesprengt. Er hat als eine Art Fremdenführer auf dem Flugplatz gearbeitet.«
»Fuad«, murmelte Keller. »Fuad Hamedin. Und wer hat dir gesagt, daß es Souha ist?«
»Mein alter Freund Peter Matthews. Er arbeitet beim amerikanischen Geheimdienst CIA. Er hat sich nur mit mir in Verbindung gesetzt, um mehr über Eddi King zu erfahren. Ich habe versprochen, King zu beobachten und ihm zu berichten. Heute morgen hat mir Matthews von den beiden Morden erzählt. Er sagte, die Tote hätte Souha geheißen. Sie und auch der Mann vom Flughafen besaßen ein
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