Der Meuchelmord
verstehst?«
»Ich verstehe nur, daß man mich hereingelegt hat«, sagte Keller ruhig. »Sie heuern einen Mann an, töten dann sein Mädchen und wollen ihn umbringen, sobald er seinen Auftrag ausgeführt hat. Das ist doch nicht schwer zu verstehen.«
»Ich lasse das nicht zu.« Sie drehte sich herum und küßte ihn. Er spürte das Salz ihrer Tränen auf seine Lippen. »Das darfst du nicht tun, Bruno. Du kommst mit mir. Wir werden zusammen sehr glücklich sein.«
Er hatte gar nicht die Absicht, sie jetzt zu besitzen. Er wehrte sich dagegen, aber sie weinte und hielt sich an ihm fest, bis er die Selbstbeherrschung verlor. Das schäbige Zimmer verschwamm vor ihren Augen. Sie verloren jedes Gefühl für Zeit und Raum. Es war wie bei ihrem ersten Zusammensein in Elizabeths Wohnung. Aber damals war sie nervös, voller Furcht vor ihrer eigenen Leidenschaft, beherrscht von der Macht seiner Gefühle. Jetzt kam sie ihm als ebenbürtige Partnerin entgegen, angetrieben nicht nur von einem körperlichen Verlangen, sondern auch von der echt weiblichen Überzeugung, auf diese Weise den Willen eines Mannes beeinflussen zu können.
Als es vorüber war, schwiegen sie eine ganze Weile. Er war erschöpfter als sie und gar nicht mehr der kraftvolle, unermüdliche Liebhaber.
»Du kommst doch mit mir, nicht wahr? Ich habe ein Haus in Mexiko, in dem kleinen Ort Cuernevaca. Es ist dort sehr schön, Bruno. Das Haus gehörte meiner Mutter. Dort sind wir sicher. Es liegt versteckt unterhalb der Gärten der Kaiserin Carlotta. Sie hat das Haus sehr geliebt und mir vererbt. Wir werden dort glücklich sein und können ein neues Leben beginnen. Niemand wird uns finden.«
Keller gab ihr keine Antwort.
»Bitte, Liebling, komm mit mir.«
Wenn er jetzt davonlief und die Leute zu hintergehen versuchte, die Fuad Hamedin in die Luft gesprengt und Souha erdrosselt hatten, würde er mit seinen fünfundzwanzigtausend Dollar nicht sehr weit kommen. Selbst wenn er Souha ungerächt ließ, durfte er es nicht wagen, Elizabeth in eine Sache zu verwickeln, die nur mit einem Todesurteil gegen ihn enden konnte.
»Irgend jemand würde uns finden«, sagte er. »Mr. Kings Freunde. Es hat doch keinen Sinn.«
»Es hat doch einen Sinn«, rief Elizabeth entschlossen. »Niemand weiß etwas von meinem Haus in Mexiko. Ich war nie dort. Meine Mutter hat es gekauft und eingerichtet, aber niemals bewohnt. Wir können morgen mit der nächsten Maschine einfach verschwinden. Eines Tages heiratest du mich vielleicht sogar«, sagte sie und versuchte zu lächeln.
Er streckte die Arme nach ihr aus und küßte sie. Mexiko. Vielleicht gelang es ihm, diesen sicheren Zufluchtsort zu erreichen. Aber nicht so, wie sie es sich vorstellte. Nicht als Feigling, der vor einem Auftrag davonlief und den anderen die Möglichkeit gab, es noch einmal zu versuchen. Mit dieser Belastung konnte er weder in Mexiko noch an irgendeinem anderen Ort weiterleben.
»Ja, ich komme mit«, sagte er. »Wir treffen uns auf dem Flugplatz. Wann soll ich dich wo erwarten?«
»Am Schalter der Eastern Airlines für die Flüge nach Mexiko.« Sie klammerte sich an ihn und versuchte, ruhig zu bleiben. Aus grenzenloser Erleichterung hätte sie am liebsten gleichzeitig gelacht und geweint. »Sagen wir um elf Uhr, Liebling. Ich bin so glücklich, Bruno. So furchtbar glücklich, daß du ja gesagt hast. Und mach dir keine Sorgen um King. Sobald wir fort sind, werde ich es ihm heimzahlen. Ich habe dem CIA nicht alles gesagt, weil ich die Agenten nicht auf deine Spur bringen wollte. Aber sobald wir in Cuernevaca sind, sollen sie meinetwegen alle einsperren, auch meinen Onkel.«
»Und du hast gesagt, daß uns dort niemand finden kann«, bemerkte Keller.
»Ich brauche nur morgen früh, bevor wir abfliegen, einen Brief in den nächsten Kasten zu werfen.«
»Geh jetzt nach Hause«, sagte Keller. »Es wird schon dunkel, und das hier ist eine schlechte Gegend. Hier ist man abends auf der Straße nicht sicher.« Er half ihr in den Mantel und drückte sie kurz an sich.
An der Tür blieb sie noch einmal stehen.
»Du kommst doch bestimmt zum Flughafen? Du überlegst es dir nicht im letzten Augenblick anders und tust irgend etwas Verrücktes? Versprichst du es mir?«
»Ich werde kommen«, sagte Keller. »Wer zuerst da ist, wartet auf den anderen. Ich verspreche dir, daß ich komme.«
Er begleitete sie die schmutzige Treppe hinunter zur Haustür. Zum letztenmal küßte er sie und war sicher, daß der Hausmeister sie von oben
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