Der mieseste Liebhaber der Welt
hätten
wir die Einladungen an Familie und Freunde nicht schon verschickt und die niedliche Hochzeitskapelle in Nienstedten nicht
schon gebucht gehabt. Sie befand sich offenbar in einer Art mentaler Schockstarre. Wir redeten nicht über den Vorfall im »Smooth
Operator«, nicht ein Mal. Offenbar wollte Svenja nicht schon wieder all die Argumente wiederkäuen, die bei unseren letzten
Krisen bemüht worden waren. Oder ihr fehlte einfach die Energie. Mir war das recht. Ich versuchte, mich so unsichtbar wie
möglich zu machen und auf Zeit zu spielen. Das hatte schließlich schon mal ganz gut funktioniert. Wir lebten ein paar Monate
miteinander wie zwei Leute aus unterschiedlichen Sprachfamilien, die das Studentenwerk versehentlich in eine Wohnung gesteckt
hat. Irgendwie hangelten wir uns über die Wochen, gingen ins Kino, trafen Freunde, rannten uns an der Alster die Lunge aus
dem Hals und stürzten uns in die Arbeit. Zärtlichkeiten zwischen uns fanden nicht mehr statt, von Sex ganz zu schweigen. Mein
Plan war, Svenja den ersten Schritt machen zu lassen. (Auch wenn Sie das überraschen mag – Männer können durchaus mal eine
Zeit auf Sex verzichten. Und außerdem bestand ich darauf, bei meinen Besuchen im »Smooth Operator« nur noch in den Räumen
behandelt zu werden, in denen es eine ebenerdige Dusche gab. Imogen weigerte sich allerdings, mich noch einmal zu bedienen.
Das sei ihr zu
persönlich
. Verstehen Sie die Frauen?)
Am Tag unserer Hochzeit schien die Sonne. Alles war so, wie man sich einen solchen Tag immer vorstellt. Svenjas Vater hielt
eine rührende Rede, die sie zum Schluchzen brachte. Wir tafelten auf einer Hotelterrasse mit Blick auf die Elbe, und gerade,
als mein Freund Fredi zur Belustigung aller Anwesenden meine zuverlässige Art beschrieb, glitt einriesiges Kreuzfahrtschiff an unserer Hochzeitsgesellschaft vorbei. Ein grandioses Bild, das mit allgemeinem Beifall aufgenommen
wurde, so wie bei der Landung eines Fliegers auf Mallorca. Unsere Blicke trafen sich, ein flüchtiger Moment der Übereinstimmung
zwischen Svenja und mir. Schon als ich die Braut vor dem Standesbeamten küssen durfte, hatte es solch einen seltenen Augenblick
gegeben. Wenn sich das häufte, würde doch noch alles gut werden. Ich schöpfte ein wenig Mut. Vielleicht war das alles doch
nicht so eine Farce, wie ich insgeheim befürchtete. Aber schon, als Hildegard Knef »Für mich soll’s rote Rosen regnen« sang,
war der irrlichternde Zauber zwischen uns wieder vorbei. Svenja ruckte und schob mich über die Tanzfläche wie einen kantigen
Einkaufswagen. Ich weiß nicht, wie unser trostloser Tanz auf unsere Gäste wirkte, aber der melancholischen Atmosphäre zwischen
uns hätte Trude Herrs »Niemals geht man so ganz« sicher mehr entsprochen. Gegen Mitternacht zogen wir uns in die romantisch
hergerichtete Hochzeitssuite zurück, die unsere Familie für uns gebucht hatte. Es war klar, dass wir es versuchen würden.
Aber schon als wir uns küssten, wussten wir beide um die Hoffnungslosigkeit dieser Geste. Wir entkleideten uns, als ob wir
unsichtbare Gipsarme trügen. Ich vermute, dass sich schon Playmobil-Figuren zärtlicher in den Armen gelegen hatten als wir.
Ich drang in Svenja ein wie in eine Schlechtwetterfront, mit geschlossenen Augen und auf das Schlimmste vorbereitet. Steif
und bewegungslos ließ Svenja alles über sich ergehen. Ich weiß nicht, wie wir diese Nacht gemeinsam im Bett überstanden. Am
nächsten Morgen frühstückten wir wortlos auf dem Zimmer, danach kümmerten wir uns um die übrig gebliebenen Gäste, die sich
in unserem Hotel eingemietet hatten. Niemand merkte, dass wir am ersten Tag unserer Ehe auch schon wieder unsere Abschiedsvorstellung
gaben. Wir checkten am Nachmittag aus und fuhren nach Hause.Svenja packte ein paar Kleider zusammen, dann umarmten wir uns an der Tür ein letztes Mal. Wir telefonierten hin und wieder,
um ein paar organisatorische Details zu klären. Nach sechs Wochen reichten wir die Scheidung ein. Und aus Milbertshofen wurde
diesmal Wandsbek.
Monika Kreutz, Delmenhorst
»Guten Tag, Markus Stiltfang mein Name, spreche ich mit Monika Kreutz?«
»Ja genau, Monika Kreutz von
Kreutz-Kreuzfahrten in die Karibik – Ihr Wasserweg ins Glück
, wie kann ich Ihnen helfen?«
»Es handelt sich um eine private Sache, Frau Kreutz, schön, dass Sie einen Moment Zeit haben. Ich habe ein paar Erkundigungen
eingezogen, aus
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