Der mieseste Liebhaber der Welt
scheinheilig, schließlich wollte ich Svenja ja auch nicht verleugnen und den Hahn drei Mal krähen
hören.
»Aber ich habe eine Freundin und wir heiraten im Mai!«
»Oh, wie romantisch!«, rief Imogen. »Das finde ich schön. Wenn ich mal heiraten sollte, dann auch nur im Mai!«
»Vielleicht hat dein zukünftiger Mann da ja andere Vorstellungen«, antwortete ich altklug und ein wenig abgelenkt, weil Imogen
sich gerade mit Massageöl einrieb, doch sie machte bloß eine abwehrende Handbewegung. Offenbar schien der Mann an ihrer Seite
nicht viel zu melden zu haben.
»Hast du momentan einen Freund?«, fragte ich die süße Blondine, die aussah wie die junge Britt Ekland, mit langen weißblonden
Haaren, einem gebräunten, schlanken Körper und tiefblauen Augen. Imogen war eine richtige Schönheit, und nur der Umstand,
dass ihre Beine vorzeitig das Wachsen aufgegeben hatten, verwehrte ihr eine Karriere auf dem Laufsteg.
»Einen Freund? Nein!«, antwortete Imogen, als sei es das Letzte, was sie sich vorstellen könne. »Die denken doch immer gleich
sonst was, weil ich das hier mache.«
Okay, das war ein Punkt für Imogen. Wenn sie meine Freundin wäre, würde ich auch gleich
sonst was
denken, denn momentan war Imogen konzentriert damit beschäftigt, feinste Öle in den Strafräumen meines Körpers zu verteilen.
Ich war jetzt seit ein paar Monaten Kunde im »Smooth Operator«, einem Massagesalon in der Hamburger Innenstadt. In München
hatte ich so einen Laden noch nie gesehen, aber Hamburg war in der Kategorie »erotische Dienstleistung« ja schon immer einen
Schritt weiter als die bayrische Metropole. Seit ich vor knapp einem Jahr auf sanften Druck meiner Lebensgefährtin nach Hamburg
übergesiedelt war, streifte ich manchmal durch die Herbertstraße und schaute wie in den alten Zeiten Frauen in Schaufenstern
an. Ich erinnerte mich daran, wie ich in Aachen mit 55 Mark losgezogen war, um die erotischen Geheimnisse des Abendlandes zu erforschen. Lustiger Plan. Die Dienste der Damen in
der Herbertstraße hatte ich aber trotz meiner nostalgischen Gefühle bisher nicht in Anspruch genommen. Stattdessen schaute
ich nun hin und wieder im »Smooth Operator« vorbei, diesem charmanten Mix aus Heilbad und Playboy-Mansion. Viel entspannter
als ein Puff, und sauberer war es hier auch. Die hohe Kunst der erotischen Massage wird ja leider sehr oft unterschätzt. Ein
Fehler, wie nicht nur meine geschätzte Kollegin, die 8 6-jährige Gloria Vanderbilt weiß, die sich auch im hohen Alter noch vor dem sinnlichen Genuss einer raffinierten erotischen Spielerei
verbeugt. Sie plädiert dafür, vor dem Liebesspiel die Haut mit grobem Meersalz zum Glühen zu bringen, bevor jene mit aromatisiertem
Gardenienöl gesalbt wird und das Geschehen seinen charmanten Verlauf nehmen kann. Ich erwähne das nur deshalb, um die ästhetische
Dimension einer erotischen Massage zu beleuchten –mit uncharmanter Rubbelei hatte das, was im »Smooth Operator« verabreicht wurde, wirklich nichts zu tun.
Im Grunde wirkten die Zimmer im »Smooth Operator« nicht anders als die Behandlungsräume einer Arztpraxis. Abgesehen vielleicht
von der intimeren Beleuchtung und dem Whirlpool, den man bei einem Proktologen nicht unbedingt erwartet. Was Imogen da seit
ein paar Minuten mit mir veranstaltete, hatte allerdings mit einer medizinischen Massage nicht viel zu tun – allerdings auch
nicht mit Rotlichtsex. Wie sollte man es beschreiben? Wellfit für die Libido? Workout für spezielle Glieder? Eine Schande,
dass das hier nicht von der Barmer Ersatzkasse bezahlt wurde. Ich hatte jedenfalls den Eindruck, dass ich meinem Körper etwas
Gutes tat – und da bin ich beispielsweise bei einem Halbmarathon schon nicht mehr so sicher, auch wenn der ein viel besseres
Image hat.
Außerdem mochte ich die Mädchen. Selten habe ich Damen aus dem zwielichtigen Gewerbe unbeschwerter ihren Job tun sehen. Sie
massieren dich an den intimsten Stellen und fragen dich im selben Moment nach deinen Erfahrungen mit bindender Wandfarbe.
Ich finde so was ja erotisch, ich bin allerdings nicht sicher, ob ich da für alle Männer spreche.
»Soll ich dir auch eine kleine Prostata-Massage machen?«, fragte Imogen beiläufig, während sie gerade mit Hilfe von sehr viel
Penatenöl auf meinem Rücken herumrutschte wie ein Snowboard auf einer schwarzen Piste.
»Och nö«, wiegelte ich ab, muss aber dabei unwillkürlich gezuckt haben. Imogen war
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