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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sie einfach für die nächste Dame gestrichen oder umformuliert –
     ich war der Textchef meiner eigenen Vergangenheit. Und was meine Zukunft anging, da war ich
extrem
flexibel. Ich lernte die unterschwelligen Signale der jeweiligen Damen schnell zu dechiffrieren und schrieb ihnen in der Regel
     zurück, was sie hören wollten, ohne allerdings allzu konkret zu werden. Ich versuchte, die perfekte Projektionsfläche für
     die individuellen Wunschträume von so viel Frauen wie möglich zu werden, und das alles nur, um sie zu treffen, sie zu studieren
     und hin und wieder mit einer von ihnen ins Bett zu steigen. Am Aufbau einer Beziehung war ich nicht wirklich interessiert.
     Das hatte schon in der Vergangenheit nicht funktioniert. Außerdem hatten diese Beziehungen, so glücklich sie mir hin und wieder
     erschienen waren, ihre wahre Kraft doch erst nach ihrem Ende entwickelt: Maria, Ellen, Svenja – dieJahre danach erinnerte ich als Abfolge von getriebenen Tagen und einsamen Nächten, von körperlichen Exzessen und sexuellen
     Abenteuern (was beileibe nicht dasselbe sein musste). Es dauerte einfach zu lange, bis ich mich wieder daran gewöhnt hatte,
     dass dieses Quäntchen weniger in meinem Leben nicht wirklich weniger war, sondern bloß
ich
und dass ich das einfach akzeptieren musste, um klarzukommen.
    In
Stadium drei
schließlich ging es nur noch darum, den richtigen Zeitpunkt für ein persönliches Treffen nicht zu verpassen. Ich kalkulierte
     für die Stadien eins und zwei jeweils eine Woche plus minus drei Tage. Die Frauen, die ich zwei bis drei Wochen mit meinen
     Briefen bei der Stange gehalten hatte, wollte ich nun so schnell wie möglich treffen. Nicht früher, aber auch nicht später.
     Ich wusste nach ein paar Monaten Onlinedating, dass man den perfekten Zeitpunkt dafür auch verpassen kann. Fragt man zu früh
     nach einem Besichtigungstermin, halten einen die Damen für einen oberflächlichen Aufreißer. Bittet man zu spät um ein persönliches
     Treffen, hat man sich womöglich in seinem Kopf bereits einen grandiosen Avatar gebastelt, gegen den die reale Person, die
     man in einer kleinen Bar zu einem Rotwein sieht, keine Chance mehr hat. Oder es wird gleich eine ganz große Oper daraus, wie
     bei Magdalena.
    ***
    Ich konnte so gerade noch die Farbe des Sessels erkennen. Grün. Vielleicht auch braun. Ein kleines Teelicht bloß, das war
     so ausgemacht. Und das auch nur
vor
der Tür. Langsam zog ich mich aus. Das hier wäre eine großartige Geschichte für meine »Date Diary«-Kolumne. Ich wusste noch
     nicht, ob ich sie wirklich benutzen würde. Mit Magdalena war schließlich alles anders.
    Das hier konnte gleich furchtbar schieflaufen. Was, wennda drin ein Fotograf eines lustigen Magazins lauerte, um mich abzuschießen, sobald ich nackt den Raum betrat? Was, wenn Magdalena
     mit dem Foto geschummelt hatte und zwei Zentner wog? Oder, was Gott verhüten mochte, da drin eine Trickbetrügerin auf mich
     warten würde, um mich außer Gefecht zu setzen und sich mit meinem Hab & Gut vom Acker zu machen? (Okay, war alles
     nicht sehr wahrscheinlich, aber doch möglich – und ich bin da seit meiner Erfahrung mit Marlene Monheim ein bisschen komisch.)
    Ich horchte in mich hinein. Da war Angst. Da war fiebrige Anspannung. Da war Vorfreude. Da waren Zuneigung und Vertrauen.
     Und da war, nicht zuletzt, auch eine gewisse Erregung. Ich brummte wie der Trafo einer Spielzeugeisenbahn. Ich musste da jetzt
     hinein. Natürlich hatte ich mich längst instruiert: Ich war einerseits bereit für die größte Enttäuschung meines Lebens, für
     einen weiteren Flop in meinem Liebesleben, für die gerechte Strafe meiner virtuellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit –
     von mir aus gern das ganze Programm. Besser, als dumm zu sterben. Aber ich wollte das jetzt erleben, wollte einmal selbst
     der Schwager eines Freundes der guten Bekannten sein, der bei einer »Vogelspinne in der Yuccapalme«-Geschichte live vor Ort
     war.
    Ich war nackt.
    Ich ging da rein.
     
    »Magdalena?«
    »Mhmmm?«
    »Wo bist du?«
    »Nicht sprechen.«
    Ihre Stimme klang vertraut.
    Stille.
    Ich schloss die Tür hinter mir, wie abgesprochen. Offenbar waren die Fenster nicht nur mit dunklen, dichten Vorhängen versehen,
     sondern an den Seiten abgeklebt. Kein Lichtschimmerdrang in den Raum, er lag in völliger Dunkelheit. Ich versuchte es, aber ich konnte meine Hand nicht vor den Augen sehen.
    »Bitte, Magdalena   …«
    Lachen.
    »Hast du Angst,

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