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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Markus?«
    Da war es wieder. Diese Stimme. Sie brachte etwas in mir zum Klingen, das mich tief berührte.
    Vergangenheit, Vertrauen, Nähe. Dabei hatte ich Magdalena erst vor ein paar Monaten kennengelernt, und das auch nur im Netz.
     Diese verdammte Kopfkinomaschine. Ich hatte keinen Schimmer, wer Magdalena war, ich wusste nicht, wie sie aussah, ich wusste
     nichts über sie – und allein dieses unscharfe Foto, ihre tiefe Stimme und die schönen Sätze, die sie mir geschrieben hatte,
     sollten jetzt ausreichen, um die ganz großen Gefühle auszulösen? Um mich lebendig zu fühlen, um
verliebt
zu sein? Ich war das Opfer einer unheilvollen Mechanik aus Projektion, Sehnsucht und einem leeren weißen Blatt, ich wusste
     es, aber ich konnte trotzdem nichts dagegen tun. Und wer nicht auf die Stimme der Vernunft hören will, muss eben fühlen. Was
     auch immer.
    »Wo bist du?«
    »Such mich.«
    Mehr sagte sie nicht. Ich tastete mich voran. Zwei Schritte nach rechts, drei nach vorne, die Arme weit vorgestreckt, ganz
     langsam. So stelle ich mir die nächtlichen Erkundungen von Schlafwandlern vor. Ich grinste. Sah ja niemand. Dann stieß ich
     mit dem Bein gegen einen Bettpfosten.
Mission accomplished
. Ich griff in ein weiches, knisterndes Oberbett und hielt unwillkürlich die Luft an, rückte langsam noch ein Stück vor und
     setzte mich auf das Bett. Meine Hand wanderte auf dem Plumeau entlang, eine Sekunde, zwei Sekunden, bis ich sie plötzlich
     spürte. Es war wie ein elektrischer Schlag, als ich sie berührte, und ich dachte, wasfür ein blödes Klischee, aber es war wirklich so: eine kleine elektromagnetische Entladung. Ich bekam eine Gänsehaut, so genoppt
     wie die Oberfläche eines Tischtennisschlägers. Offenbar saß Magdalena im Bett, mit angewinkelten Beinen, und ich hatte ihr
     nacktes Schienbein erwischt, knapp unterhalb des Knies. Ich hörte, wie Magdalena einatmete, wie sie einmal fast nach Luft
     schnappte. Meine Hand fuhr langsam hinunter bis zu ihren Fesseln, ihren Knöcheln, ihrem Fuß. Ich zog ihren Fuß mit sanftem
     Druck zu mir, und sie ließ sich nach hinten fallen. Ich machte mich langsam auf den Rückweg. Ich ertastete jeden Zentimeter
     ihres Unterkörpers und versuchte, Bilder aufzurufen, die zu meinen taktilen Empfindungen passten. Es gelang mir nicht. Ihre
     Haut duftete nach einer Creme, die ich kannte, Orange, Vanille, Veilchen, Zitrone   – Calvin Klein vielleicht, möglicherweise aber auch nur der Placeboeffekt meiner überspannten Phantasie und ein bisschen Kernseife.
     Ich könnte nicht sagen, ob der Körper, von dem ich gerade mit (fast) all meinen Sinnen Besitz ergriff, besonders groß war
     oder klein, ich konnte fühlen, dass er fest war, aber der visuelle Kontext fehlte, mein
Gefühl
setzte sich zusammen aus Projektionen und haptischen Details, flaumige Härchen über ihrem Steißbein, aufgerichtete Brustwarzen
     auf kleinen Brüsten, eine glatte Narbe über ihrem Knie, ein Pflaster an ihrem mittleren Zeh des rechten Fußes. Als ich ihren
     Kopf umfasste, strich ich durch ihr dichtes Haar, sie lachte leise, und wieder konnte ich dieses fast schmerzhaft vertraute
     Gefühl spüren, das mich gleichermaßen in Erregung versetzte und in Angst. Ich verstand dieses Gefühl nicht, woher kam diese
     Angst plötzlich?
    »Du bist unglaublich!«, sagte ich, aber Magdalena hielt mir den Mund zu, und dann begann
sie
mit ihrer Entdeckungsreise. Sie begrüßte jede einzelne Pore meines Körpers mit leicht geöffnetem Mund, immer wieder küsste
     sie mich,roch an mir, streichelte mich, kratzte leicht über meinen Rücken und summte in mein Ohr. Ich wusste nicht, wie lange ihre
     Rundreise auf mir dauerte, aber ich wusste plötzlich, was an meinen Empfindungen in diesem Zimmer einfach nicht stimmte: Das
     hier war keine Premiere! Das hier war eine verdammte Wiederaufführung, das hier fühlte sich an wie ein Stück, das ich schon
     einmal erlebt hatte, das hier war kein euphorischer Aufbruch an neue Ufer, sondern die melancholische Rückkehr in eine alte
     Heimat. Und während ich all dies spürte und mit ein paar Sekunden Verzögerung auch denken konnte, hatte ich keine Zeit, um
     über die unlogische Absurdität dieses Gefühls nachzusinnen, denn wir küssten uns nun, und das reichte, um das Bewusstsein
     zu verlieren und einzutauchen in ein Meer aus Farben und Licht, eingebettet in den orchestralen Pathos von Keane und die leise
     Wehmut von Prefab Sprout. Ein perfekter Moment, würde mir

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