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Der mieseste Liebhaber der Welt

Der mieseste Liebhaber der Welt

Titel: Der mieseste Liebhaber der Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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sich auf »Got’ you« herumtrieben, verzogen sie sich so schnell wieder
     wie Hitzeperioden in Schleswig-Holstein. Es war frech, was sich die Scheidungsopfer, Karrieremonster und Mauerblümchen der
     Nation so vorstellten: Es sollte möglichst ein verantwortungsbewusster, netter Kerl sein, der mit beiden Beinen fest im Leben
     stand, finanziell unabhängig war und keine emotionalen Altlasten mit sich herumschleppte, der gut aussah, ohne übertrieben
     eitel zu sein, und über feinste Manieren verfügte. Im Grunde suchten die meisten Frauen eine Mischung aus Johnny Depp, Brad
     Pitt und George Clooney, nur eben ungebunden und aus unerfindlichem Grund wild entschlossen, sich mit Trudchen Essig aus Hildesheim
     zu verbünden. Dazu winkten die Damen mit Zaunpfählen so groß wie Bahnschranken: Für erotisch motivierte Spielereien waren
     sie nicht zu haben, nur ernst gemeinte Zuschriften wurden erbeten, als ob es sich um Bewerbungen für eine Lebensstellung im
     öffentlichen Dienst handelte. Ein bisschen Spaß war gestern, jetzt schienen sie keinen Tag mehr mit purem Entertainment vergeuden
     zu wollen. Viele dieser Frauen hatten sich bei Mark Twain bedient und ihre Selbstdarstellung mit einem Zitat des Schriftstellers
     geschmückt: »Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden.«(Alternativ immer noch sehr populär: »Carpe diem«.)
     So ein
Motto
und dazu gern noch der beiläufige Hinweis, total spontan und offenfür Neues zu sein, duellierte sich dann im gleichen Textblock mit dem akribisch ausformulierten Anforderungskatalog für den
     Mann, mit dem der schönste Tag des Lebens
ganz spontan
begangen werden sollte. Nicht mal die Haarfarbe wurde dem Schicksal anheimgestellt. Am liebsten hätten die Damen eine Excel-Tabelle
     vorgegeben, auf der Bewerber ihre persönlichen Angaben von der Schuhgröße bis zu den Einkommensverhältnissen nur noch in dafür
     vorgegebene Kästchen eintragen mussten.
    Ich übertreibe? Aber wirklich nur ein ganz kleines bisschen. Ich habe im Netz Frauen getroffen, die eine »No Go« Liste für
     potenzielle Flirtpartner verfasst hatten, die länger war als Schillers Glocke. Viele Frauen suchten hier drin offenbar nach
     der eierlegenden Wollmilchsau. Zur Strafe für ihre unrealistischen Vorstellungen fanden sie dann mich, das hedonistische Egoferkel
     mit der wöchentlichen Kolumne, für die mich die Frauenrechtlerinnen der Stadt am liebsten an dem höchsten Baum der Stadt aufknüpfen
     wollten. Zu meiner Ehrenrettung muss ich sagen: Frauen, die ich wirklich sympathisch fand, verwurstete ich nicht in meinen
     Kolumnen. Die traf ich in der Regel nicht einmal. Den Rest aber überschüttete ich mit meinem bei der Zeitung antrainierten
     rotzigen Charme, dessen Aura sich virtuell deutlich besser ausbreitete als
offline
. Im Netz war ich der erfolgreiche Aufreißer, für den es im richtigen Leben nie gereicht hatte. Schon mein Foto war mit Bedacht
     ausgewählt: Es zeigte mich ein wenig unscharf mit einem Sektglas in der Hand im lässigen schwarzen Anzug, einem weißen Hemd
     und Flip Flops in einem Café am Meer, zu meinen Füßen ein zotteliger Neufundländer. (Ein Tipp für Männer, die sich beim Onlinedating
     nicht nur auf den eigenen Charme verlassen wollen: Im Sommer sind Meer & Hund eine unwiderstehliche Kombination, um
     die Phantasien der Damen zu entflammen, im Herbst und Winter sollte im Hintergrundein Kaminfeuer flackern.) Zwischenzeitlich kommunizierte ich mit vier bis fünf Frauen gleichzeitig, in verschiedenen Stadien
     allerdings. In meinem Fall war
Stadium eins
gekennzeichnet von frechen Bemerkungen und idealistischen Ideen, die in erster Linie neugierig machen sollten und die halfen,
     die humorlosen, allzu langweiligen Kandidatinnen auszusortieren. (Die hielten mich entweder für
schräg
oder irgendwie unsolide, und das konnten sie in ihrem Leben jetzt echt nicht gebrauchen.)
    In
Stadium zwei
wurde es dann persönlicher, ich referierte die Trampelpfade der eigenen Vita so originell wie möglich. Nach ein paar Wochen
     hatte ich entsprechende Textmodule vorbereitet und pflegte sie an den passenden Stellen einfach nur noch einzufügen. (Copy
     & Paste – noch so eine Errungenschaft des Internets, die mein Leben in beruflicher und persönlicher Hinsicht erleichterte.)
     Das sparte Zeit, außerdem konnte man auf die Sollbruchstellen der eigenen Außendarstellung wunderbar reagieren. Wenn sich
     zwei, drei Damen an den gleichen Passagen störten, wurden

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