DER MILLIONÄR AUS MIAMI
verreist“, herrschte er sie an. „Du weißt, dass ich gern ein Auge auf meinen Enkel habe.“
Nicole war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. „Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, stieß sie mühsam hervor. „Uns geht es hier ganz hervorragend.“
Nach einem kurzen, aber unangenehmen Schweigen fragte ihr Vater: „Wo genau wohnt ihr?“
„In Miami“, antwortete sie vage.
„Miami“, wiederholte er. „Ich habe Geschäftsfreunde dort unten. Ich denke, ich sollte euch für ein Weilchen besuchen.“
Panik überkam sie. „Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee wäre. Wir sind ständig unterwegs. Joel nimmt Schwimmunterricht.“
„Hm“, murmelte ihr Vater skeptisch.
Ihre Nervosität stieg von Sekunde zu Sekunde. „Ich weiß doch, wie viel du im Augenblick zu tun hast …“
„Da hast du wohl recht. Ein wahrer Livingstone ruht niemals! Ich bin gerade aus Griechenland zurückgekehrt. Der Deal mit Argyros Cruise Lines wirkt vielversprechend. Ich denke, nächste Woche wird es zu einem Abschluss kommen.“
„Glückwunsch.“
„Kein Glück, sondern harte Arbeit und guter Instinkt“, entgegnete ihr Vater zurechtweisend. „Kann ich mit meinem Enkel sprechen?“
„Er hat gerade … Unterricht“, erwiderte sie. „Malstunde.“
„Malen?“, wiederholte ihr Vater abschätzig. „Er sollte etwas Wichtigeres lernen, als mit Farbe herumzupantschen. Ein Mann muss früh anfangen, sich mit anderen zu messen, wenn er es zu etwas bringen will.“
„Er ist noch kein Mann, er ist ein Kind.“
„Aber bald wird er einer sein! Ich habe den Eindruck, dass du ihn nicht genügend darauf vorbereitest, dass er sich eines Tages wird behaupten müssen.“ Der Vorwurf in seiner Stimme war nicht zu überhören.
„Vater, er ist noch nicht einmal vier“, versuchte Nicole ihn zu beschwichtigen.
„Man kann nicht zu jung sein, um seine Kämpfernatur zu entwickeln.“
„Ich verstehe“, sagte sie einlenkend und hoffte, das Gespräch damit beenden zu können.
„Ja, aber handelst du auch entsprechend?“
„Natürlich tue ich das“, erwiderte sie kühl. „Danke für den Anruf.“
„Ich melde mich bald wieder.“ Aus seinem Mund klang es eher wie eine Drohung.
„Mach’s gut. Und pass auf dich auf“, verabschiedete sie sich und beendete die Verbindung.
Eine Weile starrte Nicole noch wütend auf das Handy und fragte sich, warum sie überhaupt abgenommen hatte.
Das Gespräch hatte sie daran erinnert, dass es noch immer einige Fragen bezüglich Rafe gab, auf die sie noch keine Antworten hatte. Der Bericht des Privatdetektivs hatte sie nicht zufriedengestellt. Da sie mehr Informationen brauchte, beschloss sie, ihren freien Vormittag damit zu verbringen, seinen ehemaligen Arbeitgeber aufzusuchen. Es war zwar noch früh am Tag, aber im Internet recherchierte Nicole schnell, dass im Club auch Mittagessen angeboten wurde. Er war also geöffnet.
Wenig später stieg sie vor dem Club aus dem Wagen.
Eine junge blonde Frau in einem kurzen, tief ausgeschnittenen Kleid begrüßte Nicole an der Tür. „Darf ich Sie zu einem Tisch führen?“
„Danke, nein, ich würde stattdessen gern mit dem Geschäftsführer sprechen.“
„Für Bewerbungsgespräche ist Mr. Keno verantwortlich“, antwortete die junge Frau. „Ich hole ihn.“
„Aber …“ Doch die Tischdame war bereits gegangen.
Einige Minuten später kehrte sie zurück. „Kommen Sie. Jerome hat einen Moment Zeit für Sie.“
„Eigentlich will ich gar nicht …“ Als sie merkte, dass die Blondine ihr gar nicht zuhörte, zuckte Nicole die Schultern und folgte ihr in ein großes Büro, das auf den Strand hinausging.
Ein großer dunkelhäutiger Mann kam mit ausgestreckter Hand auf sie zu. „Sie wollen hier arbeiten? Wir brauchen noch Hostessen.“ Er legte den Kopf schief, während er ihr die Hand schüttelte. „Sie sehen nicht schlecht aus, aber mehr Make-up und kürzere Kleider würden nicht schaden. Haben Sie schon mal überlegt, sich die Haare blondieren zu lassen?“
Bei der bloßen Vorstellung musste Nicole lachen. „Ich bin nicht hier, um mich zu bewerben. Sind Sie Mr. Keno? Ich habe einige Fragen zu Rafe Medici. Angeblich hat er vor einigen Jahren hier gearbeitet.“
Der Mann zog die Augenbrauen hoch. „Ja, ich bin Mr. Keno. Warum interessieren Sie sich für Rafe?“
„Weil er der Vater meines Neffen ist und um sein Sorgerecht kämpft“, antwortete sie ehrlich. „Ich muss wissen, was für ein Mensch er ist.“
„Und warum
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