DER MILLIONÄR AUS MIAMI
wäre! Doch ein Blick auf Rafes entschlossene Miene genügte. Nicole wusste, dass sie im Augenblick keine Chance hatte.
Tage und Nächte vergingen, in denen Rafe Nicole behandelte, als wäre sie nicht vorhanden. Als er keinerlei Anstalten machte, irgendetwas an seinem Verhalten zu ändern, wusste Nicole nicht mehr aus noch ein. Was ihr Vater prophezeit hatte, schien wahr geworden zu sein: Rafe tolerierte sie nur noch, weil Joel sie brauchte. Die Anspannung wurde allmählich unerträglich, und auch ihr Sohn schien zu spüren, dass etwas nicht stimmte.
Eines Abends, als Joel schon im Bett lag, fasste Nicole sich schließlich ein Herz. „Soll ich ausziehen?“, fragte sie Rafe zaghaft.
Er schüttelte den Kopf. „Nein, mein Sohn braucht dich. Bleib.“
„Ich habe mit dem Anwalt gesprochen“, fuhr sie fort. „Ich werde die Ehe annullieren lassen. Mehr kann ich nicht tun, um dir zu versichern, dass ich dir Joel nicht wegnehmen will.“
Rafe musterte sie kühl. „Du willst die Ehe annullieren?“
„Ja. Dann erhältst du das volle Sorgerecht für Joel und schuldest mir nichts.“
Erstaunt und ungläubig sah er sie an. „Du bist bereit, auf all deine Ansprüche zu verzichten?“
„Ja“, flüsterte sie traurig.
„Ich werde darüber nachdenken“, erwiderte er und zuckte unbeteiligt die Schultern. Es war diese kleine Geste, die Nicole verriet, dass sie Rafe für immer verloren hatte.
Die Situation in der Villa wurde von Tag zu Tag unerträglicher. Nicole hatte gehofft, dass es mit der Zeit leichter wurde, doch sie musste begreifen, dass sie sich grundlegend geirrt hatte. Als ihre Cousine Julia sie zur Taufe ihres Babys einlud, war Nicole unendlich dankbar, für einige Tage flüchten zu können. Sie sollte sogar Taufpatin werden.
„Ich fliege nächstes Wochenende nach Atlanta“, teilte sie Rafe beim Abendessen mit, das sie bis dahin wie immer schweigend eingenommen hatten.
Er hielt inne und sah sie an. „Für wie lange?“
„Nur für zwei Tage. Julias Tochter wird getauft.“
„In Ordnung, aber Joel bleibt hier bei mir.“
„Ich hatte nicht vor, ihn mitzunehmen“, erwiderte sie abwehrend. „Ich weiß, dass du mir nicht mehr vertraust.“
„Wenn es um Joel geht, und nicht um mich, hast du mein volles Vertrauen. Ansonsten würde ich gar nicht zulassen, dass du länger hier wohnst.“
Schweigend stand Nicole auf. Seine Worte hatten sie unendlich verletzt.
Sie musste weg von hier, fort von Rafe, der ihr mit jeder Sekunde das Herz brach. Doch am Türrahmen drehte sie sich noch einmal um. „Ich weiß, dass du kein Verständnis dafür hast, dass ich einen Plan B gebraucht habe, um Joel zu schützen, aber …“
„Ich verstehe noch nicht einmal, wie du auch nur eine Sekunde lang darüber nachdenken konntest, ihn seinem Vater wegzunehmen!“, brach es aus Rafe hervor. Er war inzwischen ebenfalls aufgestanden und einige Schritte auf sie zugegangen.
Nicole schloss die Augen und versuchte, die Fassung zu wahren. „Und vermutlich wirst du es auch niemals verstehen. Dein Vater hat dich nicht geschlagen, und ich bezweifle, dass du auch nur im Entferntesten verstehen könntest, wie schrecklich die Vorstellung für mich war, dass Joel Ähnliches erleben könnte.“
Rafe schwieg und sagte damit mehr, als Nicole ertragen konnte. „Aber das ändert doch nichts daran, dass …“, setzte er schließlich an.
Nicole konnte kaum fassen, wie sehr seine Worte sie enttäuschten. „Genau das ist das Problem“, unterbrach sie ihn. „Nichts kann deine Meinung ändern. Und weißt du, was ich am meisten bereue? Dass ich mir eingebildet habe, du würdest etwas für mich empfinden. Dass ich jetzt hier mit dir leben muss, in dem Wissen, dass du mich hasst, obwohl ich deine Frau bin. Dass ich mich trotz aller Warnungen in dich …“ Sie konnte nicht weitersprechen und brachte nur noch mit tränenerstickter Stimme hervor: „Ich muss in mein Zimmer.“
„Nicole“, sagte er und griff nach ihrer Hand.
Die Geste tröstete sie nicht, sondern erinnerte sie nur daran, was sie alles verloren hatte. „Lass mich los, Rafe. Ich habe schon viel zu viel gesagt.“
Am darauffolgenden Freitagabend flog Nicole nach Atlanta. Joel ließ sie wie versprochen bei Rafe. Besorgt beobachtete er, wie sein Sohn vor den Frontfenstern auf und ab lief und dann wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte, wo seine Lieblingszeichentrickserie im Fernsehen lief.
„Ist alles in Ordnung?“, fragte Rafe und legte seine Zeitung beiseite.
Joel nickte
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