Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Ministerpräsident - ein Roman

Der Ministerpräsident - ein Roman

Titel: Der Ministerpräsident - ein Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klöpfer , Meyer GmbH , Co.KG
Vom Netzwerk:
Begrüßungen, ausgebreitete Arme, tief empfundene Freude über meine Genesung; Blumensträuße, die März in den Kofferraum des Wagens legen ließ. Der Burgverwalter kam uns entgegen. Er grüßte, auch im Namen des Prinzen, der leider verhindert war, da auf einer Nordlandreise – und der Burgverwalter führte uns mit zahlreichen Erläuterungen durch die Burg: zur Stammbaumhalle, in den Grafensaal und in die Schatzkammer … Bei jeder Sehenswürdigkeit, zu der wir kamen, rief März: Oh oder Ah . Und ich tat es ihm gleich: Oh oder Ah . Honoratioren der Stadt begleiteten uns in die Kapelle, an die ehemalige Ruhestätte von Friedrich II. Eine stumme Zwiesprache mit dem König, der dort nicht mehr lag. Eine Kamera hielt das fest, dann gingen wir weiter. Ich hörte einen Jungen sagen: Er hinkt ja. Ich schaute mich um, um zu sehen, wer damit gemeint war, bis ich merkte, dass ich es war, den der Junge gemeint hatte. Er hinkt ja. März war ungehalten. Was der Junge hier überhaupt mache!? Er winkte einen Sicherheitsbeamten herbei. Er sollte den Jungen nach draußen bringen. März drängte ohnehin zur Eile. Mein Auftritt beim Sonderparteitag beginne in weniger als einer Stunde. Walter, so ein Sicherheitsbeamter, er warte unten im Burghof mit den Fahrrädern.
    Wo ich mich umziehen könne? fragte März den Burgverwalter, der uns in den Blauen Salon führte. Oh und Ah . Der Burgverwalter wollte noch eine kleine Rede halten, doch März drängte ihn nach draußen. Der Ministerpräsident müsse sich nun umziehen, so März, mit der Bitte um Verständnis und um Beeilung. Walter brachte Koffer und Kisten mit den Radkleidern: Radkleider, die, so März, in jeder Hinsicht zu den Wahlplakaten passen würden. Teils waren die Radkleider mit dem Schriftzug der Partei bedruckt, teils (besonders an den Ärmeln) mit den Landesfarben. Partei und Land in einem Dress. März war angetan. Land und Partei ein Team. So sollte es sein. Ein Team. März betastete die Radkleider. Er war angetan von ihrer Schönheit und ihrer Sportlichkeit. Kein Zurückbleiben meiner Radbekleidung hinter der Parteitagsrede. So hatte Frau Caillieux das gefordert. Oder ein Zurückbleiben der Radbekleidung hinter den Bildern der Wahlplakate. Es seien gewaltige Bilder – so Frau Caillieux. Atemberaubende Bilder.
    Walter hatte die Räder bereitgestellt: mein Fahrrad und die Fahrräder für die Sicherheitsbeamten, die sich ebenfalls umgezogen hatten und die mir folgten. Ich hinkte nicht. Mein Gehen war nun ein o-beiniges Waten. Auch deshalb hatte Walter Klickpedale empfohlen. Man kann in den dazugehörenden Schuhen kaum laufen – und daher auch nicht wirklich hinken. Man geht vielmehr in unbeholfenen, eckigen, gebeugten Bewegungen. Eher ein Rutschen als ein Gehen. Das sei völlig normal. Derartige Bilder gehörten zum Radsport. So Walter.
    Weil ich nicht schwitzend ans Rednerpult treten sollte. Deshalb die Hohenzollernburg, von der aus wir zum Parteitag fuhren. Weil Burgen auf Bergen liegen. Und weil hier Abfahrten möglich sind. Weil ich mich keinesfalls anstrengen sollte. Weil nicht die geringsten Anzeichen von Mühe und Beschwernis das Bild trüben sollten. Wir fuhren bereits: anstrengungslos. Walter und die Sicherheitsbeamten waren an meiner Seite. Vor uns ein Polizeiauto, hinter uns ein Polizeiauto, über uns der Hubschrauber. Der Ministerpräsident, er kommt. So wurde es angekündigt. Über Lautsprecher und über Funksprechgeräte. Er kommt, der Ministerpräsident. Am Straßenrand standen winkende Menschen. Wenn sie mich sahen, dann war das ein schlagartiges Erkennen. Ein Nicken und ein Zeigen. Da kommt er! Das ist er! Man erkannte mich: viel deutlicher als ich mich selbst in all den Wochen erkannt hatte. Ich trug keinen Helm. Das sei ein Fehler gewesen, sagte später März, keinen Helm zu tragen, jedoch ein unvermeidlicher Fehler. Ein schwieriges Abwägen sei das gewesen, so März. Denn hätte ich tatsächlich einen Helm getragen, dann hätte man mich nicht erkannt. Jedenfalls nicht auf den ersten Blick. Und genau darum gehe es, so März: ein Erkennen auf den ersten Blick. Nach all den Wochen. Deshalb also, schweren Herzens, keinen Helm. Und das sei auch gut so, sagte März, der das mit Nachdruck verteidigte. Während wir nun immer schneller fuhren – an einer Bushaltestelle vorbei, hinter der sich ein erstes Plakat erhob, ein gewaltiges Plakat, auf dem ich in aller Deutlichkeit zu sehen war: auf einem Fahrrad sitzend und winkend. So wie ich jetzt, in diesem Moment

Weitere Kostenlose Bücher