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Der Ministerpräsident - ein Roman

Der Ministerpräsident - ein Roman

Titel: Der Ministerpräsident - ein Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klöpfer , Meyer GmbH , Co.KG
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auf einem Fahrrad saß und winkte. Und es folgten weitere Plakate, die mich allesamt auf Fahrrädern zeigten. Sie präsentierten mich in rasender Abfahrt oder kraftvoll in einem Anstieg. Oder in geselligem Plausch mit anderen Radfahrern. Einer Frau eine Trinkflasche reichend. Oder auf einen Berg deutend. Als würde ich im nächsten Moment allen Ernstes auf diesen Berg fahren. Aufwärts! stand auf dem Plakat. Und auf dem Plakat daneben stand: Aufschwung! Aufschwung oder Aufwärts. Je nach Landschaft. Je nach Himmel. Und es folgten, je näher wir dem Parteitag kamen, Plakate mit Urspring-Wörtern: Das Urspring-Prinzip . Oder: Sommer, Sonne, Urspring . Oder: Urspring live. Die Wörter flogen an uns vorüber. Die Abfahrt war lang, und wir fuhren immer schneller. Einige Meter fuhr ich freihändig. Eine Kamerafrau auf einem Motorrad filmte das, während ein Sicherheitsbeamter an mich heranfuhr und sagte: Man sehe das alles. Live. Auf einer Großleinwand im Inneren des Sonderparteitags, dem wir nun entgegenfuhren. Links und rechts der Straße wehten Fahnen: Landesfahnen, Parteifahnen, Hohenzollernfahnen. In einem Begleitfahrzeug sah ich März. Er saß heftig nickend auf der Rückbank. Der Sicherheitsbeamte rief mir ins Ohr: März höre Radio. Die ersten Kommentare meiner Rückkehr seien vielverheißend. Man sah nun bereits die Halle des Parteitags. Sie erhob sich am Ende eines langen Spaliers von Plakaten, auf denen Wörter leuchteten wie: Rückkehr . Oder: Eine Frage der Bewegung . Oder einfach nur: Urspring . Und immer mehr Zuschauer, die sich am Straßenrand aufgestellt hatten: winkende Zuschauer, klatschende Zuschauer und rufende Zuschauer. Und je näher wir dem Parteitag kamen, desto deutlicher sah ich die vielen Übertragungswagen der Fernsehsender, die das übertragen wollten: den Parteitag, den Auftakt des Wahlkampfes und meine Rückkehr. Sie standen dicht geparkt in endlosen Reihen, Übertragungswagen an Übertragungswagen, und ich stellte mir vor, wie März all die Wagen zählen würde: siebzehn Übertragungswagen. Siehst du! Siebzehn Übertragungswagen! Sie umlagerten die Parteitagshalle. Man kam nur mit Mühe an ihnen vorbei. Ein Polizeimotorrad wies uns den Weg, nach links, dann nach rechts, und wieder nach links, zu einem Hintereingang der Halle. Beide Türhälften standen offen. Ich fuhr in die Halle hinein, am Hinterrad von Walter. Je näher wir der Bühne kamen, desto deutlicher wich er von mir. So als fürchtete er jede Nähe zur Bühne. Irgendwann war ich allein. Nur noch wenige Meter vor der Rampe – und allein. Anlauf nehmen, rief Walter. Anlauf nehmen! Fast wäre ich die Rampe nicht hochgekommen. Trotz allen Anlaufs. Ich drohte zurückzurollen. Oder seitlich von der Rampe herunterzufallen. Das wäre das Ende gewesen. Sagte später März. Das wäre das Ende gewesen. Alles ist für die Rückkehr des Ministerpräsidenten bereitet. Die Bühne liegt im grellen Scheinwerferlicht vor unzähligen Kameras. Und der Ministerpräsident schafft es nicht einmal auf die Bühne. Das wäre das Ende gewesen. Doch ich schaffte es. Unter Mühen. Mit schiebenden Händen auf meinem Rücken. Dann war ich auf der Bühne. Ich fuhr um Blumentröge herum Richtung Rednerpult. Direkt ans Rednerpult. So nah wie möglich ans Rednerpult! So März. Erst dann absteigen. Erst dann.
    Applaus. Zwölfeinhalb Minuten Applaus. März zählte die Minuten. Er verglich sie später mit den Minuten anderer Ovationen und sagte, er habe noch nie in seinem Leben einen solchen Applaus gehört. Erleichterungsapplaus, Begeisterungsapplaus … Ich winkte. Ich nickte. Ich war wieder da. Ich stand zwölfeinhalb Minuten – in Applaus. Bis meine Beine schmerzten. Ich beschwichtigte, ich beruhigte, ich dankte. Man hatte mit mir gerechnet. Mit dem schlimmsten aller schlimmen Rekonvaleszenten hatte man gerechnet. Mit einem gealterten Ministerpräsidenten, mit einem gebrochenen Ministerpräsidenten, mit einem ewigen Patienten – damit hatte man gerechnet. Mit einem kaum mehr wiederzuerkennenden Urspring. Mit einem hoffnungslosen Urspring. Mit einem unwiederbringlichen Urspring. Damit hatte man schlimmstenfalls gerechnet. Doch mit ein paar wenigen Pedalumdrehungen war all das wie umgedreht. Kein gealterter Urspring. Auch kein alter Urspring wieder gesund. Oder ein alter Urspring fast wieder wie neu. Sondern ein ganz neuer Urspring. Ein überraschender Urspring. Ein ungeahnter Urspring. Gesund, strahlend und auf einem Fahrrad. So kehrt er zurück. Wer hätte

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