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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Ich kann auch andere Seiten aufziehen, hörst du? Als dein Dienstherr befehle ich dir, zu diesem Tisch zu gehen und mir den Krug zu bringen - sofort!«
    »Ihr seid ein mächtiger Reichsfürst«, sagte Hartmann. »Zum ersten Mal fühlt Ihr Euch schwach und hilflos, aber das seid Ihr nicht. Es sind nur Eure Füße, die Euch an diesen Stuhl fesseln. Opfert mich nicht für einen KrugWein. Ich verstehe sehr gut, wie schwer es Euch fällt, Eure Gewohnheiten umzustellen, aber Bruder Stephan ist ein hervorragender Arzt. Er will den Menschen helfen und sie nicht quälen! Erinnert Ihr Euch noch, mit welcher Selbstaufopferung er Eure selige Ehefrau gepflegt hat? Ihr könnt seinem Urteil vertrauen, so wie ich es tue. Jeden Eurer Befehle will ich befolgen, auch wenn er den Tod bedeutet, aber den Wein kann ich Euch nicht bringen. Kurzfristig wird er Euch Linderung verschaffen, aber langfristig werden die Schlackestoffe den Blutfluss zum Erliegen bringen. Herr, bitte richtet Euch nicht zugrunde, bevor Eure Zeit gekommen ist!«
    Zuerst schnaufte der Herzog und starrte Hartmann feindselig an, dann - ganz allmählich - lichtete sich seine Miene. »Es ist schon viele Jahre her, da kam der Marschall zu mir und sagte, dass du so aufrecht wie ein König auf dem Pferd sitzen würdest. Damals dachte ich mir, mit dem Jungen müsse was los sein!«

    »Herr, es freut mich sehr, dass Ihr den Empfehlungen Eures Arztes folgen wollt.«
    »Das hab ich nicht gesagt«, sagte der Herzog aufbrausend und besann sich gleich wieder. Mehrmals klopfte er beschwichtigend auf die Armlehne. »Nun sei nicht so förmlich, mein Junge. Rück einen Stuhl heran und setz dich zu mir. Nachdem du so erfolgreich um Ida geworben hast, brauche ich heute deinen Rat.«
    In kurzen Sätzen schilderte der Herzog den neusten Stand der Dinge. Sein Onkel, Heinrich von Namur, hatte sich entschieden, Balduin V. von Hennegau die Nachfolge an den Reichslehen zu sichern. Sein Bruder, Rudolf von Lüttich, hatte daraufhin sein Wort gebrochen und seine Rechte an dem Erbe des Onkels an Balduin abgetreten. Dafür hatte Rudolf alle Einkünfte aus dem Allod Durbuy auf Lebenszeit eingestrichen. Philip von Flandern, der Oheim von Ida von Flandern, war als Bürge dieses Übereinkommens aufgetreten. Für den Verzicht des Herzogs an seinem Erbe hatte Balduin ihm nun ein Angebot über eintausendsechshundert Mark reinen Silbers in Kölner Gewicht unterbreitet.
    »Mein Onkel will mich enterben«, sagte der Herzog. »Mein Bruder hat mich verraten und besitzt sogar die Dreistigkeit, es mir ins Gesicht zu sagen. Und der Kaiser bleibt meiner Hochzeit fern, obwohl ich ihm eine Einladung überbringen ließ.«
    »Herr«, sagte Hartmann, »niemand konnte diese Entwicklung voraussehen. Politik wird von Menschen gemacht, und wenn diese Menschen nicht zu ihrem Wort stehen, gibt es nichts mehr, worauf man sich verlassen kann.«
    »Was soll ich jetzt tun?«

    »Momentan ist es wohl das Klügste, auf das Angebot Balduins einzugehen. Bedenkt nur, wie viel Einfluss Ihr mit einer solchen Summe kaufen könnt! Bedenkt auch Euren gesundheitlichen Zustand. Eine Fehde wäre eine Katastrophe. Als Feldherr müsstet Ihr eine Truppe in die Schlacht führen.«
    »Weicht der Leitwolf nur ein einziges Mal vor einem Kampf zurück, so blecken die jungen Wölfe gleich die Zähne... Jetzt ist es nur Balduin, aber andere Heißsporne werden folgen und mir weitere Rechte streitig machen.«
    »Herr, Euer Gegner heißt nicht Balduin, sondern Friedrich Barbarossa. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich der Kaiser niemandem verpflichtet fühlt, wenn er eigene Pläne verfolgt. Wir wollen hoffen, dass er sich zufriedengibt, ansonsten könnte es noch schlechter enden.«
    »Wovon sprichst du?Welche Pläne sollte der Kaiser verfolgen?«
    »Wenn die Reichslehen an Balduin fallen, verteilt er die Macht auf mehrere kleine Fürsten. Dadurch kann er sie leichter kontrollieren und seine eigene Vormachtsstellung untermauern.«
    »Aber das Erbe steht mir von Rechts wegen zu.«
    »Im Grunde schon, aber Ihr überseht einen wesentlichen Punkt. Die Reichslehen sind Heinrich von Namur durch den Kaiser verliehen worden. Nach dem Ableben Eures Onkels könnte der Rotbart sie einfach einziehen und einen anderen Edelmann damit belehnen.«
    »Das würde er niemals tun.«
    »Ich glaube doch, Herr. Euer Erbschaftsanspruch wäre erloschen und der Kaiser könnte sich vor aller Welt auf sein Recht berufen. Deshalb bleibt Euch gar nichts anderes übrig,
als Balduins

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