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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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nett«, sagte Judith und ging eine Weile schweigend neben der Älteren her, bis sie die Stille nicht mehr ertragen konnte. »Du sagst ja gar nichts. Was hältst du von der Idee?«
    »Nun - sie ist ungewöhnlich. Normalerweise sollten deine Eltern dir einen Ehemann auswählen.«
    »Was beim ersten Versuch völlig fehlgeschlagen ist. Nein, ich möchte wissen, ob wir deinen Segen haben. Glaubst du, dass eine solche Verbindung vielversprechend wäre? Immerhin bin ich nur eine Hebamme und dein Sohn ist ein bekannter Künstler, der an den Fürstenhöfen einund ausgeht. Vielleicht bin ich ihm zu langweilig und...«
    »Ich finde, dass ihr gut zusammenpassen würdet«, sagte Agnes. »Wenn du möchtest, kann ich ihm durch Heinrich ausrichten lassen, dass seine Mutter Sehnsucht nach ihm hat und er sich schleunigst nach Aue begeben soll. Natürlich wärest du ganz zufällig auch da. Soweit ich weiß, reitet Heinrich morgen sowieso zum Markt. Dann könnte er Hartmann einen Besuch in der Burg abstatten. Schon am Sonntag könnte er hier sein und...«
    »Was? Schon so bald? Und was soll ich ihm dann sagen?«
    »Dir wird schon etwas einfallen.«
    »Oh, Gott!« Judith schreckte zurück und blieb abrupt stehen. »Das darf nicht wahr sein. Das darf einfach nicht wahr sein!«

5.
    »So schlimm wird es schon nicht werden«, meinte Agnes und bemerkte erst jetzt, dass Judith mit weit aufgerissenen Augen zum Heimgarten starrte, wo sich neben der Linde ein Mann aufgebaut hatte und zur Unterhaltung einiger Bauern eine Geschichte zum Besten gab. Der bullige Oberkörper, der feiste Stiernacken und der breite Schädel kamen ihr bekannt vor. Und plötzlich begriff sie, dass der Ausruf der Jüngeren nicht der bevorstehenden Begegnung mit Hartmann galt, sondern ihrem Schrecken - angesichts der Rückkehr ihres Ehemanns - Ausdruck verlieh.
    »Warum taucht er immer auf, wenn alles gut wird? Warum lässt er mich nicht in Ruhe? Ich hasse ihn! Ich hasse ihn!«, schrie Judith und rannte davon.
    Für einen Moment überlegte Agnes, ob sie der Jüngeren folgen sollte, aber ein in der Sonne blinkender Gegenstand erregte so sehr ihre Aufmerksamkeit, dass sie sich dem Anblick nicht entziehen konnte. Sie kniff die Augen zusammen, um schärfer sehen zu können, und ging seitwärts den Hang hinauf. Die Bauern saßen im Halbkreis zu Augusts Füßen und blickten zu ihm hoch.
    »Ich will die Geschichte auch hören«, hörte sie Luitgart, den Sohn des Schäfers, rufen, der offenbar später dazugestoßen war. »Bitte, erzähl sie noch einmal.«
    »Nur wenn ich die anderen nicht langweile?«, fragte August mit einem Blick in die Runde. Die Bauern nickten ihm aufmunternd zu.
    »Also gut, dann will ich dir den Gefallen tun. Wie du weißt, war ich lange Zeit weg, aber du kannst mir glauben, dass ich nicht freiwillig fortblieb, sondern dazu gezwungen
wurde. Euch allen ist bekannt, wie sehr ich dieses Fleckchen Erde liebe...«
    »Was ist denn passiert?«, rief Luitgart. »Es muss doch etwas Schreckliches passiert sein.«
    »Du hast ganz Recht, mein Junge. Als ich damals fortritt, wollte ich für unsere Gemeinde einen neuen Prediger anwerben. Die Aufgabe war schwieriger, als ich vermutet hatte, und ich entfernte mich immer weiter von Aue. Auf der Handelsstraße durch den Schwarzwald geschah schließlich das Unglück. Eine Horde Wegelagerer lauerte mir auf und wollte mich töten.«
    »Was ihnen anscheinend nicht gelungen ist«, sagte der Sohn des Schäfers triumphierend.
    »Dreien von ihnen trat ich mit dem Schwert entgegen und nacheinander erschlug ich einen nach dem anderen. Ich fühlte mich schon als Sieger, als mich der Vierte hinterrücks anfiel und mir ein Messer in den Rücken rammte. Der elende Feigling hatte sich hinter einem Baum versteckt, aber im Fallen fügte ich ihm noch eine tödliche Wunde zu und...«
    »Du hast ganz alleine gegen vier Wegelagerer gekämpft?«
    »Warte nur ab, bis die Geschichte zu Ende ist. Als ich mich erheben wollte, merkte ich, dass ich meine Beine nicht mehr bewegen konnte, und aus dem Unterholz drang schon das Wolfsgeheul.«
    »Wie hast du die Meute vertrieben?«
    »Gar nicht - ich hatte mich schon aufgegeben, als ein Fernhandelskaufmann vorbeikam. Er hatte Erbarmen und hievte mich auf die Ladefläche. Die Messerwunde war tief, aber dank der Pflege seiner Ehefrau überlebte ich. Mehrere
Winter brauchte ich, bis ich meine Beine wieder bewegen konnte. Dann verstarben meine Wohltäter und hinterließen mir ihren Besitz. Ich hätte ein

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