Der Minnesaenger
Angebot anzunehmen. So steht Ihr wenigstens nicht mit leeren Händen da und alle sind zufrieden.«
Nachdenklich blickte der Herzog in das knisternde Kaminfeuer und rieb sich die Schläfe. »Deine Ausführungen beleuchten jedes Mal Aspekte, die ich noch nicht bedacht habe. Ob Balduin tatsächlich zahlen will oder ob er sich bei Fälligkeit hinter dem Kaiser verkriecht, wird sich noch zeigen, aber was die lehnsrechtliche Seite angeht, muss ich dir zustimmen.«
»Würdet Ihr in den Krieg ziehen, so würdet Ihr Euch klar gegen den Kaiser positionieren und Euch im ganzen Reich Feinde schaffen.«
»Ich muss mir alles sorgfältig überlegen und werde dich beizeiten wieder um Rat fragen. Jetzt wollen wir die Politik ruhen lassen und etwas anderes besprechen. Wie steht es um deine Dichtkunst?«
»Warum fragt Ihr, Herr?«
»Der Kaiser will in Mainz ein Hoffest veranstalten. Alle namhaften Künstler des Abendlandes sollen bei einem Sängerwettstreit antreten.«
»Und Ihr wollt, dass ich teilnehme?«
»Viele Edelleute kommen an den Hof des Kaisers, nur um Friedrich von Hausen singen zu hören. Und sind sie erst einmal dem Einfluss des Rotbarts ausgesetzt, können sie sich seinem Wesen nicht mehr entziehen. Heutzutage sind die Möglichkeiten vielfältig, um auf die Politik einzuwirken. Du sollst nicht nur an dem Wettstreit teilnehmen, sondern du sollst alle anderen Künstler in den Schatten stellen, hörst du? Deine Dichtkunst soll die Edlen des Reiches zurück an meinen Hof locken. Ich will, dass du den Wettstreit gewinnst.«
4.
Auf dem Weg zum Hasgelhof gingen Judith und Agnes am Bachufer entlang.
»Bist du sicher, dass deine Mutter uns überhaupt ins Haus lässt?«, fragte Agnes.
»Ihre Bösartigkeit hängt vor allem mit der Geschwulst zusammen«, erwiderte Judith. »Wenn ich ihr gut zurede, wird sie bestimmt ein Einsehen haben.«
»Als sie noch bei Kräften war, war sie auch nicht gerade auf den Mund gefallen.«
»Vielleicht hast du Recht, aber ich muss zumindest versuchen, ihr zu helfen. Wenn ich es nicht tue, mache ich mir später Vorwürfe.«
»Das kann ich gut verstehen.«
»Du musst mich auch nicht begleiten. Ich kann schließlich nicht von dir verlangen, dass du dich zum Dank beschimpfen lässt.«
»Ist schon gut!«
Schweigend setzten die Frauen ihren Weg fort. Der gesundheitliche Zustand ihrer Mutter hatte Judith nachdenklich gestimmt. Die Geistlichen predigten zwar, dass der Tod für den Menschen eine Erlösung sei, dass er im himmlischen Jerusalem in einem warmen Licht bade und vollkommene Zufriedenheit erlange, aber sie fand in dieser Aussicht keinen Trost. Das Paradies nahm nur in den Erzählungen der Pfaffen Gestalt an. Sie hatte es weder gesehen noch kannte sie jemanden, der schon mal da gewesen war. Sie zweifelte nicht an dem Vater im Himmel, aber sie misstraute den Bildern, welche die Pfaffen vom himmlischen Jerusalem entwarfen. Vielleicht spürte
ihre Seele, dass der Tod endgültig war, und litt deshalb so stark.
Aus ihren Überlegungen zog sie auch weitere Schlussfolgerungen. Weil niemand mit Sicherheit wissen konnte, wie es nach dem Tod weitergehen würde, musste sie ihr Sinnen doch auf das Diesseits lenken. Vielleicht war das Hier und Jetzt alles, was sie jemals haben konnte. Noch immer war sie eine Frau, in deren Schoß Leben gedeihen konnte. Eine solche Frau musste doch an der Seite eines Mannes leben, um eine Familie zu gründen und die natürliche Ordnung aufrechtzuerhalten.
»Hast du eigentlich Nachrichten von Hartmann?«, fragte Judith.
»Wenn du Ostern nicht so schüchtern gewesen wärst«, erwiderte Agnes, »hättest du selber mit ihm sprechen können.«
»Ich habe dir das nie erzählt, aber als er das erste Mal aus der Klosterschule heimkehrte, verbrachten wir etwas Zeit zusammen und...«
»Ihr wart noch Kinder.«
»Jedenfalls war ich alt genug, um kurz darauf verheiratet zu werden.«
»Worauf willst du hinaus?«
»August ist schon viele Jahre fort. Wahrscheinlich ist er tot und kommt nicht mehr zurück. Ich spiele mit dem Gedanken, noch einmal zu heiraten.«
»Hartmann?«
»Ist der Gedanke so abwegig? Er wäre bestimmt nicht abgeneigt.«
»Das will ich gerne glauben, aber geht das überhaupt?«
»Das wollte ich eigentlich dich fragen.«
»Ich weiß es nicht, aber wenn du möchtest, rede ich mit Vater Lothar. Er kennt sich mit dem Recht aus. Und wenn er keine Antwort weiß, wird er mir mit Sicherheit jemanden nennen können, der dir weiterhilft.«
»Das wäre sehr
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