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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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zu spät. Portal und Altarraum fielen in sich zusammen.
    Hartmann begriff plötzlich, dass nicht nur das Mainzer Hoffest vorüber war. Auch sein rasanter Aufstieg zum Dichter, Diplomaten und persönlichen Berater des Herzogs hatte seinen Höhepunkt erreicht. Eine weitere Steigerung war nicht mehr möglich. Sein Herr wurde von den anderen Reichsfürsten isoliert, er war alt und würde nicht mehr lange leben. Der Thronfolger konnte ihn nicht ausstehen und würde alles dransetzen, um ihm das Leben schwerzumachen.
    Natürlich könnte Hartmann die Gunst der Stunde nutzen und sich von einem anderen Fürsten anwerben lassen, aber er wusste, dass ein solches Verhalten nicht zu ihm passte. Er würde an der Seite seines Herrn ausharren - das war das Mindeste, was er ihm schuldete. Früher oder später würde sich zeigen, wie es mit ihm weitergehen würde.

Im Jahre des Herrn 1185

1.
    Manchmal konnte August kaum glauben, wie einfach sich sein Aufstieg vollzogen hatte. Während er den Truchsess mit Geschenken bei Laune gehalten hatte, hatte er als Lieferant des Herzogs von Zähringen an Ansehen gewonnen. Plötzlich hatten die Bürger von Freiburg seine Nähe gesucht. Sie hatten sich sogar damit gebrüstet, vertrauten Umgang mit ihm zu pflegen. Händler aus Straßburg, Köln, Mainz, Nürnberg und Basel hatten vorgesprochen, um die Bedingungen für eine Zusammenarbeit auszuloten. Innerhalb eines Jahres hatte er als Kaufmann, als Wohltäter der Armen und als Förderer der städtischen Angelegenheiten so viel Einfluss gewonnen, dass die Marktgeschworenen ihn nicht mehr ignorieren konnten. Seine Rechnung war aufgegangen.
    Im großen Sitzungssaal des Bürgerhauses fühlte sich August schon fast wie zu Hause. Die Tafel und die Stühle waren mit kunstvollen Schnitzereien versehen, die Feuer dreier Kamine und zahllose Kerzen untermalten die feierliche Stimmung. Am Kopf der Tafel erhob sich der Älteste des scheidenden Rates und sprach:
    »Nun will ich Euch verkünden, was das Recht unserer Ahnen war, damit es auch für unsere Kinder und Kindeskinder
Recht bleiben kann. Die vierundzwanzig Marktgeschworenen sollen an drei Tagen in der Woche Rat halten. Voraussetzung für die Beschlussfähigkeit ist, dass alle Herren anwesend sind. Die Inhalte der Sitzungen sind geheim. Wer sie in der Stadt oder an einem anderen Ort preisgibt, soll sein Amt mit sofortiger Wirkung verlieren. Jetzt erhebt Euch, hohe Bürger der Stadt Freiburg, und schwört, der Mehrheit zu gehorchen, Gesetze undVerträge zu lesen und sie nach bestem Wissen und Gewissen einzuhalten.«
    August hob die rechte Hand und sagte: »Ich schwöre, der Stadt Freiburg treu zu dienen - so wahr mir Gott helfe.«
    Als sein Nebenmann die Eidesformel aufsagte, nahm August wieder Platz. Vom Rest der Sitzung bekam er kaum etwas mit und hing seinen Gedanken nach. Erst als der erbenlose Nachlass angesprochen wurde, merkte er auf und wartete die passende Gelegenheit ab, um eine besondere Überraschung zu präsentieren, die auch die letzten Zweifler verstummen lassen würde.
    Wenn sich ein Jahr nach dem Tod eines Bürgers kein Erbberechtigter meldete, fiel der Nachlass den Marktgeschworenen zu, die nur ein Drittel zur Ortsbefestigung verwenden konnten. Auch die Abgaben und Zölle wurden unterschiedlichen Bestimmungen zugeführt, so dass sich der Bau der Wehrmauern schon seit Jahren ohne sichtbaren Erfolg hinschleppte.
    Als August sich meldete, erteilte ihm der Älteste sogleich das Wort. Er stand auf, blickte den Männern fest in die Augen und sagte: »Seit jeher gilt unsere größte Sorge der Sicherheit unserer Familien. Keiner unter uns würde einen Moment zögern, um sich mit seinem Schwert vor die Eltern, seine Ehefrau und die Kinder zu stellen. Ebenso
wenig vergessen wir, dass die Zahl unserer Schutzbefohlenen um ein Vielfaches größer ist. Wir alle fürchten um das Schicksal der Witwen und Waisen, wenn die feindlichen Streitkräfte den Palisadenwall überrennen. Durch zahlreiche Unterredungen weiß ich, dass auch Ihr nach Lösungen sucht. Wir alle wollen Freiburg in eine gefahrlose Zukunft führen, aber unsere Mittel sind begrenzt. Wie Ihr wisst, zählt der Truchsess zu meinen engsten Vertrauten. Ja, erst kürzlich lud mich der Herzog zu einem Festmahl ein, um geschäftliche Dinge zu besprechen. Sogleich ergriff ich die Gelegenheit, um ihm von unseren Sorgen zu berichten. Der Zähringer nahm regen Anteil und lässt Euch ausrichten, dass er für die Dauer von sechs Jahren alle Bürger von

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