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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Trockenfleisch als Botenlohn. Geh zurück zu deinen Freunden.«
    Der Junge griff hastig danach und war auch schon wieder verschwunden. Hartmann gürtete sich das Schwert um die Hüfte und verließ die Burg durch das offene Tor. Er hatte keine Ahnung, was ihn erwartete, aber er war froh über die Abwechslung.
    Der Himmel strahlte in einem endlosen Blau und die Luft flirrte über dem Tal. Vorbei an der Grafenmühle überquerte er die große Wiese, auf der roter Klatschmohn blühte, und ging durch das Schwabentor. Der Palisadenwall spendete etwas Schatten. Nur ein Hund mit verfilztem Fell und ein alter Zimmermann kamen ihm entgegen, ansonsten wirkte die Straße wie ausgestorben. Vor dem Bordell standen zwei Reitpferde, die von allerlei Flugtieren traktiert wurden. Als Hartmann mit der Faust gegen die Tür schlug, wölkte Staub zwischen den Fichtenbrettern auf. Im Inneren wurden Schritte laut. Der Riegel wurde zur Seite geschoben und ein Edelmann tauchte auf.
Sein goldblondes Haar war kunstvoll mit der Brennschere gekräuselt; sein ebenmäßiges Gesicht wies feine Züge auf. Man hätte ihn für einen Schöngeist von harmlosem Naturell halten können, wenn nicht sein forschender Blick zurVorsicht mahnen würde. Hartmann hatte diesen Mann beim Mainzer Hoffest im Gefolge des Kaisers gesehen. Auch kannte er die meisten seiner Lieder und bewunderte sie für ihre schlichte Eleganz: Friedrich von Hausen, der Dichter und Diplomat des Kaisers, war eine Berühmtheit.
    »Ich freue mich, dass Ihr meiner Einladung gefolgt seid. Ich wollte dem Knaben meine Identität nicht nennen, damit er sich nicht verplappert.«
    Hartmann betrat den Schankraum, in dem es nach Schweiß und verschüttetem Wein roch.
    Friedrich zeigte mit dem Finger zum oberen Stockwerk. »Die Damen des Hauses schlafen noch. Draußen im Garten sind wir ungestört.«
    Im Schatten der Hauswand setzten sie sich auf eine Bank. Friedrichs Knappe brachte einen Krug mit Beerenwein, aus dem sie nacheinander tranken. Aus dem Tierpferch erklang das Gackern der Hühner; hinter dem Geräteschuppen dümpelte der Kanal vorüber. Die große Hitze hatte die menschlichen Exkremente und die Gerbereiabfälle aufquellen lassen. Ein beißender Gestank hing in der Luft.
    »Euer Herr hat diesen Trank auf dem Mainzer Hoffest ausschenken lassen«, sagte Friedrich und nahm einen Schluck. »Da habe ich ihn zum ersten Mal gekostet und seitdem komme ich nicht mehr von ihm los.«
    »Ich möchte nicht unhöflich sein«, sagte Hartmann, »aber es wäre mir lieber, wenn Ihr gleich zur Sache kommen würdet. Wie Ihr wisst, ist das Verhältnis zwischen
Zähringern und Staufern angespannt. Entdeckt man uns bei diesem Stelldichein, könnte man leicht auf falsche Gedanken kommen.«
    Friedrich lächelte. »Vermutlich wisst Ihr nicht einmal, was sich gerade im Reich abspielt.«
    »Wie sollte ich? Der Kaiser lässt keine Gelegenheit aus, um den Herzog zu isolieren. Unsere ganze Aufmerksamkeit in der Kanzlei gilt lokalen Ereignissen. Von der großen Politik bekommen wir kaum etwas mit.«
    »Ich spreche nicht von der Politik, sondern von Eurem Erec.«
    »Was haben mein Roman und die Geschehnisse im Reich miteinander zu schaffen?«
    »Sehr viel, mein Freund. Im vergangenen Sommer habt Ihr doch Besuch von einem Schreiber bekommen?«
    »Das stimmt!«
    »Nun, seine Abschrift wurde an zahlreichen festlichen Abenden vorgetragen. Die Edelleute waren begeistert und wollten die Episoden in ihrer Heimat nicht missen. Sie ließen weitere Abschriften anfertigen, die dann bei ihnen zu Hause vorgetragen wurden, wo wieder andere Edelleute von den Heldentaten erfuhren. Und nicht nur das, auch mündlich wurden die Geschichten weitererzählt. Mittlerweile kennt Erec fast jedes Kind.«
    »Das wusste ich nicht.« Hartmann war überrascht.
    »Ihr habt eine neue Art von Ethik begründet, deren Ideale auch dem Adel erstrebenswert erscheinen: Tapferkeit gegenüber dem Feind, Treue gegen den Lehnsherrn, Selbstbeherrschung im gesellschaftlichen Umgang und respektvolle Verehrung der Dame. Man hat schon begonnen, alle diese Tugenden mit dem Begriff Ritter zu verbinden.«
    »Tatsächlich?«
    »Junge Edelleute und unfreie Ministerialen fühlen sich gleichermaßen ausgezeichnet, wenn sie so genannt werden. Ihr habt einen neuen Stand geschaffen, der nicht durch die Geburt, sondern durch die Gesinnung erreicht werden kann.«
    Hartmann konnte kaum fassen, dass sein Plan aufgegangen war. Wenn alles stimmte, was Friederich ihm da erzählte, hatte

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