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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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Satan wird dich in Verzückung versetzen! Wahrscheinlich geht seine Saat schon jetzt in dir auf, denn so bemüht wie du sonst bist, mir ein guter Kamerad zu sein, die Klosterregeln zu befolgen und die Schulaufgaben zu meistern, so uneinsichtig bist du in allem, was das Blendwerk des Spielmanns betrifft.«
    Hartmann lehnte den Besen gegen die Wand, ging auf den Freund zu und legte ihm die Hand auf die Schulter. Forschend blickte er ihm in die aufgerissenen Augen. »Warum regst du dich eigentlich so auf?«
    »Weil deine unsterbliche Seele in Gefahr ist.«
    »Ist das wirklich so? Oder bist du nur eifersüchtig?«
    »Ich? Nein! Ich will dich beschützen! Das ist die reine Wahrheit!«
    »Dann höre mir bitte zu. Es gibt keinen Grund zur Sorge. Der Spielmann hat mich vieles gelehrt und ist ganz bestimmt kein Werkzeug des Teufels. Er ist nur ein lebenslustiger Mann, der zu viel Beerenwein trinkt. In seiner Musik steckt so viel Schönheit wie im Psalmengesang. Und wenn du mein Freund bist, solltest du meinem Urteil vertrauen. Lass uns jetzt das Skriptorium fegen, sonst müssen wir es nach der Messe tun, und ich will zeitig das Kloster verlassen.«

    Hartmann empfing die heilige Kommunion und drängelte sich sofort aus der Kapelle. Mit nur einem Blick erkannte er, dass Blixas Schimmel nicht mehr am Futtertrog stand. Er verschränkte die Hände auf dem Rücken und schlenderte unauffällig zum Tor. Draußen raffte er seinen Umhang über die Knie und rannte den Trampelpfad hinunter. Die Blätter der Ahornbäume hatten sich gelb, rot und orange verfärbt. Einige Hühner flatterten vor ihm auf und suchten das Weite. Keuchend erreichte er die Anhöhe und begab sich an den Anstieg.
    Er zwängte sich zwischen einigen Tannen hindurch und entdeckte endlich den Freund. Seelenruhig lag er auf dem vorspringenden Felsen und schnarchte laut vor sich hin. Seine feisten Beine steckten in roten Beinkleidern, die nach französischer Art eng anliegend waren. Hartmann ließ sich auf die Knie fallen und schloss ihm mit Daumen und Zeigefinger die Nase. Es dauerte einen Augenblick, bis Blixa durch den Mund atmete. Geräuschvoll schmatzte er und hob träge den Arm, um das Ungeziefer zu verscheuchen. Erst als seine Hand auf einen Widerstand traf, schlug er die Augen auf. »Wie kannst du einen alten Mann nur so erschrecken?«
    Hartmann lachte vergnügt und wollte mit dem Spielmann balgen, aber der schob ihn nur zur Seite. »Nicht heute!«
    »Wieso? Ist irgendwas?«
    Anstatt zu antworten, löste Blixa die speckigen Riemen des Lederfutterals, zog die Harfe heraus und reichte sie dem Knaben. »Es wird Zeit, dass wir mit dem Unterricht anfangen!«
    »Ist das dein Ernst?«

    Hartmann nahm das Instrument mit solcher Ehrerbietung entgegen, dass Blixa breit grinste.
    »Es muss wohl stimmen - die Harfe ist ein Teufelswerk!«
    Hartmann strich über die feinen Risse im Resonanzkasten, die von den starken Temperaturschwankungen herrührten, und zupfte vorsichtig an den scharfen Darmsaiten. Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er diesem Instrument eine Melodie entlocken sollte. Mit einer plötzlichen Bewegung wollte er die Harfe zurückgeben. »Spiel du!«
    »Nur keine Angst«, sagte Blixa. Er lehnte sich mit dem Rücken gegen einen Felsen und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Bei deiner Begabung bekommst du den Bogen schnell raus. Wir fangen ganz langsam an. Hör mir zu und treffe meinen Ton: Buuurg... Maiiiid.« Offenbar schlug Hartmann die richtigen Saiten an, denn der Harfner stimmte nach weiteren Übungen ein einfaches Frühlingslied an, das bei den Dorffesten sehr beliebt war: »Winter und Hütten seid ihr entronnen! / Auf, junge Leute, ich spiele zum Tanz. / Frühling und Sonne sind uns willkommen! / Auf, junge Leute... Halt, warte.«
    Hartmann hatte ihn begleitet, ohne genau zu wissen, wie er es angestellt hatte. Aus seiner Konzentration gerissen blickte er auf und fragte: »Was ist los?«
    »Du musst darauf achten, dass die Töne rein klingen.« Blixa drehte den Stimmwirbel, der nur locker in der Fassung saß, und lauschte dem Klang. Dann wies er den Knaben an, den Rücken durchzustrecken, und korrigierte seine Handhaltung. »Zuerst musst du dich erfahrenen Spielleuten anschließen, die alle Tricks beherrschen... Moment mal, du wirst doch in einer Klosterschule erzogen! Musst du eigentlich das Gelübde ablegen?«

    »Ich muss gar nichts. Ich will Harfner werden so wie du. Wie hört sich diese Tonfolge an?«
    »Willst du wirklich Harfner werden?

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