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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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aufgefangen hatte. Erst als er mit aller Kraft zugestoßen hatte - erst einmal und dann immer öfters -, hatte er begriffen, dass von dem Pfaffen nur ein blutiger Klumpen übrig bleiben würde.
     
    Als der Dorfschulze die Versammlung in der Kapelle auflöste, stellte August sich zu den Bauern und hörte ihren haarsträubenden Mutmaßungen zu. Obwohl er davon überzeugt war, dass ihm niemand etwas anhaben konnte, entschloss er sich, sich in den nächsten Monaten ruhig zu verhalten und etwas Gras über die Sache wachsen zu lassen.

17.
    Wenige Tage nach dem Pfingstfest versammelten sich alle vor dem Bruchsteinhaus, um Abschied zu nehmen. Hartmann erinnerte sich vage daran, dass er Ähnliches vor vielen Jahren schon einmal erlebt hatte. Damals hatte er nicht einmal geahnt, was er in der Klosterschule erleben würde. Heute wusste er sehr wohl, was ihn in Sankt Georgen erwartete. Am liebsten wäre er in Aue geblieben.
    Schweren Herzens schüttelte er den Männern die Hand, verstaute den Proviant in seinem Bündel und umarmte seine Mutter. Er musste sich sehr beherrschen, um nicht in Tränen auszubrechen, und es kostete ihn große Überwindung,
sich auf den Weg zu machen. Auf dem Pfad ins Hexental brütete er düster vor sich hin, bis ihm einfiel, dass er bald den Spielmann wiedersehen würde. Ja, die Vorfreude auf den Harfner machte ihm den Abschied etwas leichter. Sogleich rief er sich ins Gedächtnis, wie er Blixa vom Kreuchental einst kennengelernt hatte.
    An einem Sonntagnachmittag hatte der Spielmann auf den Stufen des Gästehauses gesessen und einige Lieder gesungen. Hartmann hatte mit anderen Zöglingen zu seinen Füßen gehockt und aufmerksam zugehört. Der reine Klang der Harfe und der getragene Gesang hatten ihn glücklich, traurig und nachdenklich gestimmt. Die Lieder waren von einer ergreifenden Schönheit gewesen. Irgendwann war Jean de Reims herbeigeeilt und hatte den Vortrag verboten. Unter Androhung von schwersten Bestrafungen hatte der Schulmeister ihnen untersagt, der Musik noch einmal zuzuhören. Sie wäre sehr ordinär und würde ihren Geist für die Versuchungen des Satans öffnen, so hatte er erklärt.
    Hartmann war zuerst erschrocken gewesen. Dann war er fürchterlich wütend auf den Schulmeister geworden. Alles, was irgendwie schön war, wurde in Sankt Georgen sofort verboten!
    In der Nacht hatte er lange wachgelegen und gegrübelt. Dann hatte er einen Entschluss gefasst. Lautlos war er zum Gästehaus geschlichen und hatte den Spielmann geweckt. Vor Aufregung hatte seine Stimme gezittert, als er den Mann gefragt hatte, ob er wirklich ein Sendbote des Teufels wäre.
    Der Harfner hatte ihn aufmerksam angeschaut und schließlich geantwortet: »Du darfst nicht alles glauben,
was die Pfaffen erzählen. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit behaupten sie, dass wir nicht verständen, was Musik eigentlich bedeuten würde, aber das ist natürlich nur ein Vorwand. Eigentlich wollen sie die Einzigen sein, die den Menschen Musik bieten können. Mit allen Mitteln wollen sie ihren Einfluss vergrößern, und dabei ist es ihnen egal, wie sie ihr Ziel erreichen. Deshalb reden sie auch so schlecht über uns und deshalb sind wir so vielen Anfeindungen ausgesetzt.«
    In den folgenden Tagen hatte Hartmann lange nachgedacht. Der Spielmann hatte ihn ernst genommen und war sehr freundlich gewesen. Wie konnte ein so friedfertiger Mann, der noch dazu so schöne Musik machte, nicht in Gottes Sinne handeln? In seinem Verhalten hatte er weitaus mehr christliche Tugenden verkörpert als sein Schulmeister, der ihn mindestens einmal im Monat brutal züchtigte.
    Bald hatte Hartmann nicht mehr gewusst, was er glauben sollte, und hatte sich entschlossen, auf sein Gefühl zu vertrauen. Der Spielmann war häufig Gast in der Abtei gewesen und der Knabe hatte ihm stets Gesellschaft geleistet. Allmählich war eine Freundschaft entstanden, und irgendwann hatten sie sich an einem Sonntag an einem geheimen Ort verabredet, um gemeinsam zu singen...
     
    Hartmann klemmte den Daumen unter den Trageriemen und nickte vor sich hin. Ja, der Schulmeister konnte ihm drohen, so viel er wollte - die Lieder des Spielmanns ließ er sich nicht verbieten. Sie erlaubten ihm, einen Blick auf die Buntheit des Lebens zu werfen. Und sie gaben ihm die Kraft, um die Klosterausbildung durchzustehen.

    Allmählich löste sich der Kloß in seinem Hals und er beschleunigte seine Schritte - da schob sich eine Gestalt aus dem Gebüsch.

18.
    »Ich wollte gerade

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