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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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beruhige dich, Ulrich, und steigere dich in nichts hinein! Das Harfenspiel ist vollkommen harmlos. Warum lässt du es mir nicht einfach, so wie ich dir deine Bibelstudien lasse?«
    »Du bist mein Freund, der einzige, den ich jemals hatte. Deshalb muss ich auf dein Wohlergehen Acht geben. Wenn du morgen zum Felsen gehst, werde ich Jean de Reims davon Bericht erstatten. Und denk bloß nicht, dass ich nur so daherrede. Dieses Mal ist es mir ernst.«
    »Bleib doch hier!«, rief Hartmann, aber der Freund krabbelte schon zu seinem Lager und zog sich die Decke über den Kopf.

    Warum kann er nicht Ruhe geben?, dachte Hartmann. Im Schulzimmer und bei den Mahlzeiten sitzen wir nebeneinander. Im Skriptorium arbeiten wir zusammen und in der Nacht teilen wir das Lager. Manchmal wurde ihm die Zweisamkeit zu viel. Andererseits verstand er die Nöte des Freundes. In allem, was er sagte und tat, war er aufrecht und vertrat seinen Standpunkt sogar gegen Jean de Reims. Mit Leidenschaft kam er allen Diensten nach, um Gott zu ehren. Ulrich verdiente Respekt und stand seinem Herzen näher als jeder andere Zögling.
    Hartmann vernahm ein Schluchzen und blickte zum Bett des Freundes hinüber. »Hör doch endlich auf, dich so zu quälen. Warum machst du es uns so schwer? Du weißt doch genau, was mir blühen würde, wenn du mich an Jean de Reims verrietest. Das kannst du unmöglich wollen! Außerdem bleibt mir gar nichts anderes übrig, als morgen auf der Harfe zu üben. Ich habe in Aue nämlich ein Mädchen kennengelernt, und ich habe ihr versprochen, ihr mehrere Lieder vorzutragen...

5.
    Judith und Mechthild saßen auf einer Bank vor dem Hasgelhof und schabten Schuppen von den Fischen.
    »Sieh mal«, sagte das Mädchen und zeigte auf eine massige Gestalt, die in ledernen Beinkleidern den Hang hinaufstieg. »Da kommt August, der freie Bauer!«
    Mechthild stand auf und fegte die silbernen Fischplättchen von der Schürze. »Ich glaube, ich weiß, was er will. Geh schon mal ins Haus und bereite Speis undTrank vor.«
    »Mutter!«

    »Was ist denn? Bist du noch nicht fort? Geh endlich ins Haus!«
    Seufzend gehorchte das Mädchen.
    »Nimm doch Platz«, sagte Mechthild zu August, als sie gemeinsam das Haus betraten, und strich der Tochter über den Rücken. »Judith ist ein folgsames Mädchen. Alles, was ich ihr auftrage, erledigt sie sofort. Koste nur von dem Wein und nimm auch vom Käse!«
    Der freie Bauer aß einige Brocken und spülte mit einem kräftigen Schluck nach. »Der Käse könnte einem König als Mahlzeit dienen. Woher hast du ihn?«
    »Ich habe die Kuh selbst gemolken!«
    »Wahrlich, ein Festschmaus!«
    Eine Weile sprach niemand, dann ergriff Mechthild erneut das Wort: »Von unserem Tisch hast du gegessen, von unserem Wein hast du getrunken, und wir wollen Gott dafür danken. Willst du uns jetzt sagen, ob es einen bestimmten Grund gibt, der dich herführt?«
    »Ich würde gerne mit deinem Mann Kilian sprechen!«
    »Alles, was du ihm zu sagen hast, kannst du auch mir sagen.«
    »Das habe ich mir beinahe gedacht. Jeder Mann würde sich glücklich schätzen, wenn er eine so kluge Frau wie dich hätte... Ich will auch nicht lange um den heißen Brei herumreden. Ich bin gekommen, weil ich um die Hand deinerTochter anhalten möchte.«
    Judith erschrak fürchterlich. Flehentlich blickte sie zu ihrer Mutter, aber diese schien nicht sonderlich überrascht und bestens auf das Gespräch vorbereitet zu sein. »Wir sind arm und du bist reich«, sagte sie. »Sieh dich nur in dieser Behausung um.«

    »Ach, Mechthild. Viel wichtiger als weltliche Güter ist doch ein guter Wille.«
    »Wie soll die Mitgift denn ausfallen?«
    »Gebt eurer Tochter ein Laken, eine Schere, Garn und eine Bürste mit. Gebt ihr mit, was nützlich ist und was ihr entbehren könnt. Mehr verlange ich nicht.«
    »Du verkörperst alles, was sich eine Mutter für ihr Kind wünschen kann. Du bist großzügig, rechtschaffen und fromm, aber ich habe Angst um Judith. Was soll aus ihr werden, wenn du eines Tages genug von ihr hast? Sie wird sich dann an deinen Reichtum gewöhnt haben!«
    »Sprich ganz offen - geht es dir um die Höhe des Wittums? Da werden wir uns bestimmt einig.«
    Auf die vorgebrachten Angebote des freien Bauern reagierte Mechthild mit Zetern, Wehklagen und Ausflüchten. Mit keiner Silbe ließ sie durchblicken, welchen Umfang die Brautgabe haben sollte. August fügte dem Stück Land, den Silbertalern, dem Schwein und der Kuh eine goldene Brosche, drei Lämmer und

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