Der Minnesaenger
schlang sich die Arme des Herzogs um den Nacken und schleppte ihn flussabwärts.
Dankwart drehte sich um und sprang einen Soldaten an, der Werner eine Lanze in die Seite rammen wollte. Immer mehrTübinger stürmten aus dem Tor. An den Zinnen der Burgmauer postierten sich Bogenschützen, um die kämpfenden Zähringer und Welfen von den zu Hilfe eilenden Truppen abzuschneiden.
Die Übermacht wurde immer größer; der Kampf dauerte viel zu lange. Dankwart spürte, wie seine Kraft nachließ. Er konnte längst nicht mehr so gezielte Hiebe setzen. Es würde nicht mehr lange dauern, bis er seinen Arm nicht einmal mehr anheben konnte. Allmächtiger, dachte er und lenkte einen Speer ab. Sofort ging er zum Gegenangriff über. Bitte steh meinem Weib und den Kindern bei, wenn ich nicht mehr sein sollte. Bitte lass sie nicht ohne Schutz sein...
»Pass auf!«, brüllte Werner.
Dankwart spürte einen dumpfen Schlag in die Rippen, der ihm die Luft raubte. Das Schwert fiel ihm aus der Hand. Er hatte das Gefühl zu ersticken, er riss den Mund auf und rang nach Atem. Sein letzter Gedanke galt Agnes: Verzeih mir, dass ich dir kein besserer Ehemann war! Der nächste Schlag traf ihn am Kopf; sein Helm wurde fortgeschleudert. Mit dem Gesicht voran fiel er auf den Fels. Ein grauer Stollen verengte sich zu einem schwarzen bodenlosen Loch.
Bis zum späten Nachmittag wütete der Kampf. Dann mussten die Zähringer und Welfen die Waffen strecken. Zwei Männer packten Dankwart an den Füßen und schleiften
ihn über den felsigen Grund. Sein Kopf schlug so heftig auf den Boden auf, dass er die Augen öffnete. Die Abendröte tauchte den Himmel in ein wunderschönes Licht. Erst jetzt wurde ihm seine Gefangennahme bewusst, und er griff nach dem Schwert, um den Kampf fortzusetzen, aber die Scheide war leer. »Werner!«, schrie er. »Werner, wo...« Dankwart sah nur den Schatten des Fußes, der direkt auf seinem Gesicht landete und ihm erneut das Bewusstsein raubte.
Als Dankwart erwachte, hatte er keine Ahnung, wo er sich befand. Er wusste nur, dass etwas nicht stimmte. Vorsichtig tastete er nach seiner Nase.
»Nicht!«, sagte jemand und griff ihm in denArm. Es war Werner von Schlatt, der neben ihm mit dem Rücken an einer schwarzen Bruchsteinmauer lehnte. »Ich hab sie gerichtet. Gut, dass du weggetreten warst, sonst hättest du es nicht ausgehalten.«
Dankwart erinnerte sich wieder an den Kampf und an seine Gefangennahme. Offenbar hatte man sie in den Kerker gesperrt und bis auf die wollenen Unterhemden entkleidet. Das Stroh stach ihm in die nackten Beine. »Was haben sie mit unseren Sachen angestellt?«
»Die Tübinger haben sie eingestrichen!«
Als Dankwart sich aufsetzte, spürte er ein solches Stechen im Kopf, dass ihm der kalte Schweiß ausbrach. Er biss die Zähne zusammen und der Schmerz ebbte etwas ab. Durch die Gitterstäbe fiel silbernes Mondlicht. Allmählich nahmen die anderen Gefangenen Konturen an. Ein Markgraf lief auf und ab und führte Selbstgespräche: »Das halt ich nicht aus. Ich muss hier raus. Warum bin ich
nicht gefallen? Ich hätte es verdient. LieberTod als Gefangenschaft. Lieber im himmlischen Jerusalem als in diesem Kerker. Honesta mors turpi vita potior - Ein ehrenvoll er Tod ist einem schändlichen Leben vorzuziehen...«
Für einen Augenblick vergaß Dankwart die Umstände: Ein weltlicher Herr beherrschte die Sprache der Pfaffen. Das war sehr ungewöhnlich!
»So geht das schon seit Stunden«, sagte Werner. »Am besten stopft ihm einer das Maul, sonst macht er uns noch alle verrückt.«
»Was ist eigentlich geschehen?«, fragte Dankwart und spürte, wie ihm übel wurde.
»Ich weiß nur, dass unsere Männer geflüchtet sind. Der Tübinger hat viele Gefangene gemacht. Solange er auf ein Lösegeld hoffen kann, wird man uns am Leben lassen, aber wenn sich die Verhandlungen in die Länge ziehen, dann gnade uns Gott. Die Wärter haben mehrere Kameraden verloren und heizen sich schon gegenseitig auf.«
Die Foltermethoden waren allgemein bekannt. In erster Linie verfolgten sie das Ziel, den Stolz der Gefangenen zu brechen. Stundenlange Vergewaltigungen waren nichts Ungewöhnliches. Fand sich unter den Wärtern niemand, der es gerne mit Männern trieb, rammte man den Ausgelieferten einen Knüppel in den Anus oder man zwang sie, Kot zu schlucken. Verweigerte sich jemand den grausamen Spielen, hängte man ihn an den Hoden auf, bis sie abrissen. Dankwart entsann sich der Worte seines Weibes: Wenn du mit dem
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