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Der Minnesaenger

Titel: Der Minnesaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
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strafbar, aber Rudolf konnte sich offenbar nicht zurückhalten. Je mehr Kirchenämter durch Männer seines Vertrauens besetzt waren, desto mehr galt sein Wort im Kreis der Großen.
    Im Wissen um seine Sünden verlangte es ihn nach Trost und diesen fand er im Sammeln von Reliquien - Kleiderreste, Fingerglieder und Schädelstücke längst verstorbener Märtyrer; einmal kaufte er gar eine Sandale des Jesuskindes für einen horrenden Preis. So schuf er sich selbst einenTeufelskreis, aus dem er keinen Ausweg fand. Eigentlich war Rudolf nicht viel schlechter oder besser als andere Würdenträger; die Diözese war unter ihm sogar einflussreich geworden. Nur musste er um alle seine Unternehmungen ein lautes Spektakel inszenieren und lenkte so die Aufmerksamkeit des Papstes auf sich, der ihn schon mehrmals als eine Schande für den geistlichen Stand bezeichnet hatte. Zu seinem Unglück nahm sich Rudolf die scharfen Worte zu Herzen, denn bei aller Raffgier war er auch fromm, bei aller Unmoral auf seltsame Weise gewissenhaft.
    Soweit Hartmann aus den Erzählungen von Bruder Stephan schlussfolgern konnte, wurde Rudolfs Handeln weniger
durch politisches Kalkül als durch Geltungssucht und eine innere Zerrissenheit bestimmt. Wie sollte er einem solchen Mann begegnen, wie das Gespräch mit ihm zu einem erfolgreichen Abschluss bringen?
    Begleitete er den Herzog auf Reisen, nahm er manchmal an Verhandlungen teil. Seiner dürftigen Erfahrung nach verrieten Lehnsherren oder Äbte ihre Gedanken nur, wenn die Äußerung der eigenen Sache diente. Als Politiker teilten sie die Menschen in zwei Klassen ein: in Werkzeuge und in Gegner. Er musste also versuchen, dem Bischof den Plan vom großen Zähringerreich so schmackhaft zu machen, dass er ihn zur eigenen Sache erklärte. Nur dann konnte er sich der uneingeschränkten Unterstützung sicher sein.
    Als die Sonne hinter dem Bergrücken versank, erreichten die Männer die Talsohle. Nachdem sie die rot schimmernden Flussauen und die Maasbrücke hinter sich gelassen hatten, zeigte der Marschall der Torwache das Wappen der Zähringer, das ihm an einer Kette um den Hals hing. Hartmann erläuterte dem Soldaten, dass der Bischof selber als Leumund bürgen würde. Daraufhin ließ der Mann sie passieren.
    Steinhäuser säumten die Straße zur Bischofsresidenz. Stumm traten ihre Bewohner vor die Tür und blickten der Gesandtschaft nach. Immer mehr Volk versammelte sich. In einem Handgemenge wären die Packpferde mit den kostbaren Geschenken eine leichte Beute. Irgendwo rottete sich eine Bande von Lumpenkindern zusammen. Ein Gassenjunge, dessen Haar von getrocknetem Lehm gebleicht war, zerrte an den Beinkleidern des Marschalls und rief: »Monsieur, Monsieur...!«

    »Was will er?«, fragte der Marschall.
    »Er bittet um ein Almosen«, sagte Hartmann. »Dafür könnt Ihr auf den Schutz des heiligen Lambert vertrauen, dessen Gebeine hier begraben liegen. Er ist der Patron der Stadt.«
    »Das kann auch ein Ablenkungsmanöver sein. Er soll verschwinden!« Der Marschall befreite seinen Fuß aus dem Steigbügel und versetzte dem Knaben einen so kräftigenTritt, dass dieser im hohen Bogen im Straßenmorast landete. Das Lumpenkind rappelte sich auf, entblößte sein Hinterteil und schimpfte drauflos.
    »Was sagt er jetzt?«, fragte der Marschall und hielt den Schwertknauf fest im Griff.
    »Das wollt Ihr bestimmt nicht hören!«, erwiderte Hartmann.
    Ohne weitere Zwischenfälle erreichten sie das Tor der Bischofsresidenz. In dem dunklen Holz öffnete sich eine quadratische Luke, durch die der Pförtner die Gesandtschaft musterte.
    »Jetzt bist du an der Reihe«, sagte der Marschall. »Viel Glück.«
     
    Der Bischof erwartete sie im großen Saal. Er wies keinerlei Ähnlichkeit mit seinem älteren Bruder auf. Die Sorge um sein Seelenheil hatte sein Gesicht ausgehöhlt. Die Schläfen- und Wangenknochen zeichneten sich unter der glänzenden Haut ab.
    Hartmann kniete nieder, küsste seinen Ring und erhob sich wieder. »Euer Bruder möchte Euch dieses Kreuz zum Geschenk machen. Angefertigt wurde es bei einem Goldschmied in Köln, dessen Name weit über die Grenzen des
Rheinlandes bekannt ist. Eine Gravur erinnert an das Martyrium des heiligen Lambert.«
    »Der gute Berthold«, sagte der Bischof und starrte auf die Edelsteine, die im Schein des Kaminfeuers funkelten. »Schon immer war er für seine Großzügigkeit bekannt. Richtet ihm meinen Dank aus.«
    Nachdem die beiden Belanglosigkeiten ausgetauscht und sich

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