Der Mittelstürmer: Die Geschichte eines schwulen Profi Fussballers
ich immer für dich da bin. Also, wenn ich dir helfen soll, musst du schon ehrlich sein.«
Sie gingen weiter hinunter zum Strand, zogen sich die Flipflops aus und wanderten dort lange schweigend nebeneinander her. Es wurde dunkel, als sie am Haus von Rachen und Mary ankamen. Mary war schon zum Arbeiten gegangen.
Sie setzten sich auf die Veranda. Rachen sehr weit von Marc entfernt. Marc spürte Rachens Unsicherheit.
»Marc«, begann Rachen, »wenn dein Problem wirklich so groß ist, dann gib dir doch Zeit. Ich werde dir zuhören, und ich werde dich ernst nehmen.« Mit einem leichten Vorwurf im Unterton fügte er noch hinzu: »Und ich werde dich immer akzeptieren, egal was dabei rauskommen mag.«
Marc saß da wie ein Häufchen Elend. Er konnte kaum dem Blick von Rachen standhalten. Nach einer Ewigkeit fragte Rachen, ob er denn nicht Hunger habe. Marc antwortete sehr leise und sah dabei auf den Boden. »Komm her. Bitte komm zu mir.«
Rachen brauchte etwas Zeit, um sich von seinen Gedanken loszureißen, erst dann begriff er, was Marc sagte. Dann erhob er sich langsam, ließ ihn dabei aber nicht aus den Augen und kam vorsichtig heran. Er kniete sich vor Marc hin, vermied jede Berührung. Immer noch hatte Rachen Angst, etwas falsch zu machen. Da spürte er Marcs Hand auf seiner Wange. Rachen rührte sich nicht, blieb in seiner Position vor Marc sitzen. Marc zog ihn an sich, ganz vorsichtig. Sein ganzer Körper zitterte. Er umarmte Rachen und versteckte sein Gesicht an dessen Schulter. Nun traute sich auch Rachen, Marcs Umarmung zögerlich zu erwidern. Marc zog ihn zu sich aufs Sofa, seine Umarmung wurde immer intensiver. Marc schluchzte. Rachen spürte Marcs Tränen über seine Schultern laufen. Er steigerte sich immer mehr in diese Verzweiflung hinein. Oder war es eine Sehnsucht, eine neu entdeckte?
Rachen hielt sich immer noch ein wenig zurück. Er begann nun, Marc so zärtlich zu streicheln, wie er es sich seit Jahren immer wieder vorgestellt hatte. Nun wurde Marc mutiger und öffnete seine Augen. Er blickte aus seinem verweinten Gesicht in die Augen Rachens. Fremde, Liebe, Verzweiflung – all das lag in seinem Ausdruck. Wie ein kleines, verzweifeltes Kind, das eine neue Situation nicht einschätzen kann.
Langsam kam Marc wieder zu sich, wollte etwas sagen. Doch Rachen legte seinen Finger auf Marcs Mund und flüsterte ihm ins Ohr: »Ich habe dir gesagt, lass dir Zeit. Du musst jetzt nichts sagen. Lass es einfach so stehen.«
Rachen stand auf. Sein Shirt war ziemlich mitgenommen von Marcs Tränen und dem Schweiß.
»Ich werde uns etwas zum Essen machen, und du solltest dich unter die Dusche stellen.«
Marc war froh, dass Rachen Normalität in diese Situation brachte.
Als er vom Duschen kam, standen zwei Tassen Tom Yam Suppen auf dem Tisch. Er setzte sich hin und begann, sie mit Riesenappetit zu löffeln. Schweiß trat aus seinen Poren, diesmal aber, weil er diese enorme Schärfe des Essens nicht mehr gewohnt war. Rachen beobachtete ihn dabei und musste grinsen. »Ich habe sie extra mild für dich Weißhaut gemacht.«
Jetzt fühlte Marc sich wieder wohl. Eine gewisse Selbstverständlichkeit spielte sich zwischen den beiden wieder ein. Aber diese Geschichte hatte beide viel Energie gekostet, und sie waren erschöpft. Dennoch saßen sie an diesem Abend noch lange zusammen und erzählten sich ihre letzten zehn Jahre. Marc war selber verblüfft, wie offen er mit Rachen über sein Leben reden konnte. Das konnte er bis jetzt nur mit Willma. Irgendwann stand Rachen auf, er musste ins Bett. Eine Ladung Touristen erwartete ihn morgen früh im Hotel. Er blickte Marc lange in die Augen und wiederholte seinen Satz von vorhin: »Du kannst, solange du möchtest, bei mir in meinem Haus bleiben.«
Marc blieb sitzen. Es war ganz ruhig geworden. Er hörte das unablässig leise Rauschen des Meeres – ebenso unaufhörlich arbeiteten die Worte, die Rachen gesagt hatte, in ihm weiter.
Marc legte sich in sein Bett und konnte nicht schlafen. Er wälzte sich hin und her. Schwitzte, erfuhr zum ersten Mal in seinem Leben eine Sehnsucht, die er nicht zu deuten wusste.
Er hörte Geräusche, setzte sich auf. Ging auf die Terrasse, blickte auf das nachtschwarze Meer. Ging in die Küche, öffnete den Kühlschrank. Angenehme Kälte streichelte seinen Körper. Er trank Wasser aus der Flasche und wollte damit in sein Zimmer.
Rachens Zimmertür war nur angelehnt. Sein Herz begann, heftig zu pochen. Er klopfte. Nichts. Er öffnete mit einem
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