Der Mitternachtsdetektiv: Unter Wölfen (German Edition)
ich. »Woher wusstest du überhaupt, dass der Wolf zum Ost-Rudel gehört? Ich kann keine zwei von denen auseinanderhalten. Wie ...?« Ich unte r brach mich selbst. »Warte, sag nichts. Er ist ein Albino, richtig?«
Sie machte große Augen. »Woher ...?«
Ich dachte an Isenharts Sabber in meinem Gesicht, seine zähnestarrende, gespensterweiße Fratze. »Ich hatte heute Abend selbst das Ve r gnügen.«
Natürlich, es passte alles zusammen: Isenhart war arbeitslos – er konnte das Geld gut brauchen. De s wegen hatte ihn die Nachricht von Zagans Tod auch für eine Sekunde aus dem Konzept gebracht. Im Gegensatz zu allen anderen Wölfen – Elisa Prätorius eingeschlossen – brachte ihm ein toter Zagan keine Befriedigung, gleichgültig was er b e hauptete.
Mein Herz beschleunigte seinen Schlag, als sich das näc h ste Puzzlestück einfügte. Das Fell!
»Hör zu«, sagte ich. »Der Albino ist der Erpresser, aber er hat Zagan nicht umgebracht.«
Sie verzog die verweinten Augen zu Schlitzen. »W o her willst du das wissen?«
»Man hat Fell bei ihm gefunden: graues Fell. Stinknormales Straßenköter-Werwolfs-Grau.«
Sie schüttelte verständnislos den Kopf. »Na und? Dann war er’s eben nicht persönlich, sondern einer se i ner Handlanger.«
Nein, dachte ich. Das passte nicht. Trotzdem hatte ich das Gefühl, das Puzzle fast in seiner Gänze sehen zu können. Ich war nahe dran, verdammt nahe dran, das fühlte ich.
»Pass auf, ich muss los«, sagte ich; meine Finger kri b belten wie jedes Mal, wenn ich kurz davor stand, einen Fall zu lösen. »Ich muss noch mal mit jemandem reden. Gib mir deine Nummer – ich melde mich, sobald ich den Mörder gefunden habe. Aber versprich mir, bis d a hin keine Dummheiten zu machen, okay?«
Sie zögerte, spürbar misstrauisch. »Aber ...!«
»Glaubst du, Vadim hätte gewollt, dass du ins offene Messer läufst?«
Ihre Schultern sanken herab. »Nein.«
»Ich finde seinen Mörder«, sagte ich. »Verspr o chen.«
Sie schien mir zu glauben. »Okay«, sagte sie.
Als ich losfuhr, beobachtete ich das Mädchen in schwarz durch den Rückspiegel: Sie schien noch immer fix und fertig, aber zumindest gefasst genug, den Wald für heute Nacht zu me i den.
Nur ein Stück; nur ein einziges, winziges Stück, und das Puzzle war komplett! In meiner Aufregung ließ ich fast mein Handy fallen, als ich Jennys Nummer wählte.
»Komm schon, na los«, murmelte ich, während es einmal tutete. Zweimal. Dreimal.
»Göttin sei dank, du lebst noch«, hörte ich Jennys Stimme. Sie atmete tief durch.
»Unkraut vergeht nicht«, sagte ich, gerührt wegen der Sorgen, die sie sich gemacht hatte – und gleichzeitig beschämt deswegen. »Jenny, hör zu, ich bin kurz davor, den Fall abzuschließen. Ich brauche nur noch eine wichtige Info, bevor ich mir ganz sicher sein kann. Die Sache mit der Tötungstechnik von Werwölfen – hast du schon was für mich?«
»A-ha«, machte sie. »Deswegen wollte ich dich auch gerade anrufen. Pass auf, Folgendes hab’ ich gefunden: Normalerweise töten sie in Sekunden. Schnell und sa u ber, ohne großes Blu t vergießen.«
» Aber ...?«
»Aber es gibt eine gewaltige Ausnahme von der Regel ...«
Sie erzählte mir davon und ich wusste es – ich wusste, wer Vadim Zagan getötet hatte.
Aber um den Mörder zu stellen, musste ich noch eine letzte Konfrontation wagen, auch wenn mir jetzt schon die Knie schlotterten.
Trotzdem fuhr ich zurück zur Villa von Elisa Prätor i us.
10
Déjà vu ohne Ende: Der Kasten war dunkel, niemand ließ mich rein, wie oft ich auch klingelte und mich a n kündigte. Nach einer erneuten Kletterpartie über die Mauer landete ich wieder in Garten, wo ich gestern zum ersten Mal in meinem Leben einem leibhaftigen Werwolf g e genüber gestanden hatte.
Mein Herz flatterte genauso wie letzte Nacht; vie l leicht sogar mehr. Ich holte tief Luft und rief: »En t schuldigen Sie, wenn ich hier wieder so eindringe, aber ich hätte noch ein paar Fragen!«
Ich musste mich nicht lange bemühen. Etwas knirschte im Schnee. Ich drehte mich zur Seite und da stand sie. Großmutter , dachte ich, was hast du für gr o ße Zähne.
»Ich hätte nicht gedacht, dass wir uns so bald wiedersehen, Herr Hellmann«, sagte die Wolf s mutter. Ein, zwei weitere Schritte von ihr, und wir standen uns direkt gegenüber. Ihre grünen Augen funkelten.
»Ich hoffe, ich störe Sie nicht in einer lauschigen Vollmondnacht wie dieser.« Sie musste gehört haben, wie
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