Der Mitternachtsdieb: Roman
Tür flog auf, und ihr Vater kam herein.
„Was machst du denn hier, Kenji? Du sollst in deinem Bett liegen und schlafen!" „Ja, Vater. Wir haben uns nur unterhalten."
„Es ist nach Mitternacht. Geh sofort in dein Bett."
„Ja, Vater."
Der Vater ging.
Kenji seufzte. „Wir waren so nahe dran. Die nächste Sekunde hätte sie den Namen Jerry Davis gesagt."
„Jetzt müssen wir wieder bis nächsten Freitag warten", sagte Mitsue.
Kenji dachte kurz nach. „Nein. Wir wissen ja bereits, wer der Mörder ist. Gleich morgen lasse ich die Fotos entwickeln, und dann reden wir mit Vater darüber."
Das versetzte Mitsue erneut in Aufregung. „Ich bin so gespannt, Kenji."
„Wir reden morgen früh weiter", sagte Kenji. „Jetzt schlafen wir besser."
Er ging zurück in sein Zimmer. Doch weder er noch Mitsue konnten in dieser Nacht nur ein Auge zutun. Morgen war der große Tag.
9. KAPITEL
Am nächsten Morgen sagte Mitsue zu Kenji: „Wann bringst du den Film zum Entwickeln?"
„Gleich nach dem Frühstück", versicherte ihr Kenji. Auf seinem Film waren vierundzwanzig Bilder. Zwanzig hatte er schon früher verknipst, und die letzten vier waren die von dem Geistermädchen. „Ich lasse es im Schnelldienst machen, da haben wir dann schon heute abend den Beweis für Vater." Sie waren so aufgeregt, daß sie das Frühstück kaum anrührten. „Was ist denn, fühlt ihr euch nicht wohl?" fragte die Mutter. „Nein, nein, mir geht es gut", sagte Kenji. „Mir auch", sagte Mitsue.
Ihr Vater musterte sie. Irgend etwas stimmt da nicht, ganz entschieden, dachte er. Noch nie haben sie sich zu Hause so seltsam benommen. Vielleicht ist die amerikanische Luft schuld daran. Er beschloß, daß er wohl ein Wort mit ihnen reden müsse. Allerdings wußte er auch nicht so recht, worüber eigentlich genau. Ach was, wahrscheinlich war es nichts weiter. Kinder in ihrem Alter hatten nun einmal ihre Launen. Nach dem Frühstück entschuldigten sich die Kinder rasch. Kenji steckte seinen Film in die Tasche und fuhr zusammen mit Mitsue nach unten. In der Eingangshalle unten trafen sie mit Jerry Davis zusammen:
„Na, Kinder, ihr seid aber früh auf den Beinen, wie?" sagte der Privatdetektiv.
Kenji sah ihm in die gemeinen Augen. „Ja, Sir."
Ganz bestimmt wärst du ziemlich erstaunt und gar nicht mehr so freundlich, dachte er, wenn du wüßtest, was ich da in der Tasche habe. Damit bringe ich dich ins Gefängnis.
„Na, dann seid mal schön vorsichtig", sagte Jerry Davis gönnerhaft. „New York kann ganz schön gefährlich sein." Sollte das etwa eine Warnung an sie sein? Kenji überlief es eiskalt. Er dachte an seinen Traum und wie real er ihn erlebt hatte, als eben dieser Mann da mit einem Messer auf ihn zugekommen war: „Du hättest dich lieber um deine eigenen Angelegenheiten kümmern sollen ...!"
Ja, vielleicht hätte ich das wirklich tun sollen, dachte Kenji. Aber jetzt ist es zu spät. Wir helfen Susan Boardman. Jerry Davis trat in den Aufzug, und Kenji und Mitsue machten sich auf den Weg zum Fotogeschäft.
Es war ein kleiner Laden ein gutes Stück von ihrem Wohnhaus entfernt. Sie gingen auf den Verkäufer zu. „Guten Morgen. Was kann ich für euch tun?"
„Das", sagte Kenji und holte den Film aus der Tasche. „Wir möchten den Film entwickeln lassen."
„Gut", sagte der Mann, nahm den Film und gab Kenji einen Abholzettel.
„Kann ich die Bilder bis heute abend haben?"
„Das wird wohl leider nicht möglich sein. Wir haben hier keinen Sofortservice."
Kenji zeigte sich enttäuscht. „Na gut, dann morgen." Der Mann schüttelte wieder den Kopf. „Morgen ist Sonntag. Vor Montag nachmittag werde ich die Bilder. nicht zurückbekommen können."
Kenji und Mitsue sahen sich an. „Na gut", sagte Kenji. Dann konnte man eben nichts machen.
Auf dem Heimweg sagte Mitsue: „Es spielt doch keine Rolle, Kenji. Dann erzählen wir es Vater eben erst am Montag." Aber Kenji war zu ungeduldig, noch so lange zu warten. Wo die Falle für Jerry doch schon fast zu war und er schon alle Beweise hatte! Kein Wunder, daß er noch ungeduldiger wurde als bisher schon. Er wollte den Mörder hinter Gittern sehen. War das eine Drohung gewesen, als Jerry Davis gesagt hatte: „New York kann ganz schön gefährlich sein"? Ganz entschieden, fand er.
Am Sonntag mietete Takesh Yamada ein Auto und machte mit seiner Familie einen Ausflug hinauf nach Connecticut. Es war nur ein paar Stunden Fahrt von Manhattan aus dorthin, aber schon eine ganz andere Welt mit
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