Der Moderne Knigge
Nebenzimmers, weil dies nichts nützt und dem Stiefel sogar schadet. Man warte ruhig, bis es im Nebenzimmer ruhig wird und fange dann selber zu toben an. Das wird die beste Warnung für die folgende Nacht sein.
Wenn man nach dem Hausknecht verlangt und will sich nicht darüber ärgern, daß er nicht kommt, so klingele man nicht. Dann ist man vor dem bezeichneten Ärger bewahrt.
Man lasse sich im Hotel keine Cigarren bringen, da man in jedem Cigarrenladen mindestens ebenso schlechte billiger kaufen kann.
Legt man sich schlafen, so verschließe man die Thür. Denn es könnte doch sein, daß einem anderen Hotelbewohner einfällt, er habe dir nicht gute Nacht gewünscht, aufsteht, in dein Zimmer schleicht und deine Uhr mitnimmt. Dasselbe gilt von der Brieftasche und der Brillantnadel.
Man merke sich genau, was man im Hotel verzehrt und kontrolliere die Rechnung genau, denn es giebt unter den Wirten einige Zechpreller.
Lernt man auf der Reise eine Dame kennen, in deren blaue Augen man sich so verliebt, daß sie sich gern dir anschließt und dann bei der ersten besten Gelegenheit mit deinem Portemonnaie davongeht, so freue man sich, gleichfalls mit blauem Auge davongekommen zu sein.
Hier möchte ich einiges über die
Hochzeitsreisen
anschließen, obschon solche in allen Jahreszeiten unternommen werden, weil die Standesämter keine Ferien haben.
Da man als Bräutigam die Frau, welche man bekommt, nicht kennen lernte, so versuche man nicht, auf der Hochzeitsreise das Versäumte nachzuholen, da es zu spät ist.
Man gebe seiner jungen Frau auf der Hochzeitsreise keinen Grund zur Eifersucht, da dies dann am leichtesten ist.
Da man an allen ihren Unterhaltungen teilnimmt, so gewähre man ihr jeden dahinzielenden Wunsch auf das zuvorkommendste.
Gerät man mit der jungen Frau in einen Streit, so gebe man nach. Nicht, weil der Klügere nachgiebt. Dies ist ein durchaus falscher Satz. Man gebe vielmehr nach, weil dies eine gute Übung für die Zukunft ist.
Man glaube nicht, daß es richtig sei, schon auf der Hochzeitsreise zeigen zu müssen, daß man Herr im Hause ist. Erstens ist man auf der Reise nicht im Hause, und zweitens lacht jede Frau über solche Versuche, ihr die Herrschaft zu nehmen.
Gleich nach jedem Zank schreibe man an die Angehörigen und Freunde, daß man sich sehr glücklich fühle. Hierzu bediene man sich der Ansichtspostkarten, damit man nicht ausführlich zu werden braucht. Nach dem fünften Zank versichere man an dieselben Adressen, daß noch kein dunkles Wölkchen den Himmel des Glücks getrübt habe. An diese Redensart hat man sich längst gewöhnt, niemand denkt sich etwas dabei, und sie verpflichtet zu nichts.
Wird der junge Gatte von seiner neuen Lebensgefährtin gefragt, ob sie seine erste Liebe sei, so bejahe er diese Frage. Natürlich glaubt sie ihm das nicht.
Wird die junge Gattin von ihrem neuen Lebensgefährten gefragt, ob er ihre erste Liebe sei, so bejahe sie diese Frage. Natürlich glaubt er ihr das.
Der junge Gatte mache keine Witze über seine Schwiegermutter, weil dies sehr geschmacklos ist, sondern zeige auf andere Weise, daß ihm nichts neues einfällt.
An der
Table d'hôte
verschlinge das junge Paar sich nicht mit den Augen, sondern esse etwas, was sättigt. Der Preis des Couverts bleibt derselbe, und es kommt später sicher die Zeit, wo man sich wundert, daß man einmal so dumm gewesen ist, sich nicht satt zu essen.
Der junge Gatte übertreibe die Galanterie nicht, damit sein späteres Verhalten nicht zu sehr auffalle, besonders wenn die Dame ein gutes Gedächtnis hat. Hat sie aber ein schlechtes Gedächtnis, so empfiehlt sich die Mäßigkeit auf diesem Gebiet schon wegen der größeren Billigkeit.
Auch wenn beide geschworen haben, sie hätten nie geliebt, ist es praktisch, gewisse Briefschaften vor dem Antritt der Hochzeitsreise einzuäschern. Denn nur die Asche, trotzdem sie weiblichen Geschlechts, ist diskret.
Wir kehren zu den Sommerreisen zurück.
Hat man das große Glück, vor der Stadt eine Villa zu besitzen, welche schöner ist, als irgend ein Haus, das man auf der Reise bezieht, so verläßt man sie in den ersten warmen Tagen, um alle Unbequemlichkeiten einer sogenannten Sommerfrische vorzuziehen. Dies ist allen Reichen ohne Ausnahme zu empfehlen, damit sie nicht übermütig werden. Auch pflegen die Einbrecher, welche mit Vorliebe unbewohnte Landhäuser ausplündern, sehr für solche Sommerreisen eingenommen zu sein. Ich weiß dies genau, und man braucht deshalb
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