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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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keine Erkundigung in Einbrecherkreisen einzuziehen.
    Man nehme nicht zu viele Schmuckgegenstände in die Sommerfrische mit, obschon sie auch dort gestohlen werden können. Ist dies an einem Ort geschehen, wo es keine Zeitungen giebt, in denen man den Diebstahl bekannt machen und vor dem Ankauf der Wertsachen warnen kann, so bekommt man diese auch nicht wieder, wenn man sie von einem Dorfbeamten ausklingeln oder austrommeln läßt.
    Bevor man in der Sommerfrische eine Wohnung bezieht, lasse man sich vom Vermieter versichern, daß sie ungezieferfrei ist. Nachdem man diese Versicherung erhalten hat, ziehe man ein, um nachts eine um so größere Überraschung zu erleben, namentlich aber die Freude darüber, daß man sich mit Insektenpulver und ähnlichen Reiseutensilien versehen hat. Wer dergleichen nicht besitzt, merke sich was folgt: Wanzen in Betten vermeidet man am sichersten dadurch, daß man auf dem Sofa oder auf zwei Stühlen schläft. Die Zahl der Schwaben verringert man gewöhnlich durch Töten dieser unsympathischen Haustiere. Flöhe werden dadurch zur Strecke gebracht, daß man ruhig wartet, bis sie sich, vom Springen ermüdet, irgendwo niedersetzen und arglos, wie sie sind, ergreifen lassen. Hat man sie ergriffen, so ist es eine Kleinigkeit für den Jäger, sie unschädlich zu machen. Gegen Ratten und Mäuse bediene man sich der Fallen, welche sich bequemer als Reisekatzen mitführen lassen. Bemerkt man nach dem Schlafengehen, daß sich eine Fledermaus im Zimmer gefangen sieht, so öffnet man alle Fenster und wartet, bis sie wieder herausgeflogen ist. Dann schließt man rasch die Fenster und schläft beruhigt ein.
    Ist das Haus, von welchem aus man die Sommerfrische genießen will, durch Fliegen belebt, so wird man wohl selbst wissen, daß es gegen diese Plage kein besseres Mittel als Winterkälte giebt, welche allerdings fast unfehlbar wirkt, aber nicht abgewartet werden kann. Man bediene sich also aller bekannten Abwehrinstrumente und Kammerjägermittel, um einsehen zu können, daß alle nichts nützen. Da Fliegenflaschen, in denen der Spiritus jede Fliege, welche in ihn hineingeraten, betäubt und tötet, nicht aufzutreiben sein werden, sind die bekannten Fliegenstöcke zu empfehlen, welche gleichfalls selten zu haben sind, während sie in großen Städten zu Tausenden durch den Kleinhandel vertrieben werden. Sind die Fliegenstöcke aber in der Sommerfrische herbeizuschaffen, so bilden sie, selbst von bethörten Fliegen bedeckt, sogar einen Zimmerschmuck, der in Sommerhäusern selten zu sein pflegt. Allerdings muß man sie nicht näher betrachten, da der Anblick des Stangenkletterns der angeklebten Fliegen, welches in einem vergeblichen Bemühen, loszukommen, besteht, kein erquicklicher sein kann.
    Über die Mücken mache man sich keine Sorgen. Man trifft sie an allen Orten der Sommerfrische. Gegen ihre Stiche verkauft jede Apotheke einige Flüssigkeiten, mit denen man die Haut oder die Verletzungen derselben einreibt. Helfen sie nicht, so spare man sich den Weg in die Apotheke, da sie das Geld um keinen Preis zurückzahlt und weil sie ferner von der Unwirksamkeit der verkauften Mittel bereits vollkommen unterrichtet ist.
    Fordern die Wirtsleute einen unverschämt hohen Mietspreis, so greife man zu, weil ihre Forderung am andern Tag eine noch unverschämtere werden würde, wenn die Wohnung dann überhaupt noch zu haben ist.
    Findet man, daß die Wirtsleute grob sind, so sei man selbst höflich, damit sich die eigene Bildung hier um so schärfer von dem dunklen Hintergrund abhebe. In anderer Weise ist kein Nutzen aus der Grobheit der Wirtsleute zu ziehen. Ändern läßt sich an ihr aber nichts.
    Befindet sich in der Nähe der Sommerwohnung, in welcher man sich gründlich erholen will, eine klappernde Mühle, eine Schmiede, eine Kinderschule, ein Sägewerk oder dergleichen, so wird man sich nach etwa acht Tagen an den betreffenden Lärm so gewöhnt haben, daß man ihn kaum noch störend vernimmt, ja, daß man ihn später in der Heimat vermißt.
    Mit den Mägden und anderen weiblichen Dorfbewohnern lasse man sich in keine näheren Beziehungen ein. Sie sind sehr tugendhaft und haben schon ein Verhältnis mit einem muskulösen Standesgenossen, mit dem nicht zu spaßen, sondern nur zu raufen ist, was nicht jedermanns Sache zu sein pflegt.
    Speist man im Freien, weil dies der Seele und dem Körper vorteilhaft ist, und es fällt eine Raupe in die Suppe, so gerate man nicht in Zorn, denn sie kann nichts dafür, und

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