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Der Moderne Knigge

Der Moderne Knigge

Titel: Der Moderne Knigge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julius Stettenheim
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es ist ein Unglück für sie. Man fische sie heraus und werfe sie fort, ein anderer Rat fällt mir in diesem Augenblick nicht ein. Auch wohl später nicht.
    Ist man ein Freund des Sports, so veranstaltet man ein Schneckenwettrennen im Garten hinter oder vor dem Sommerhause. Schnecken sind leicht aufzutreiben. Alsdann stellt man etwa zehn nebeneinander und beobachtet nun, welche von ihnen nach einer Viertelstunde zuerst den weitesten Weg zurückgelegt hat. Trägt diese Unterhaltung auch nicht zur Veredlung der Schnecken bei, wie dies bei den Pferden der Fall ist, so vergeht doch die Zeit angenehm, und dies ist ohne Zweifel in der Sommerfrische die Hauptsache.
    Man verschiebe die Heimreise, wenn dies sich irgend ermöglichen läßt. Denn die Heimreise ist jedenfalls das Erfreulichste an einer Sommerreise, und indem man sie vertagt, genießt man also die Freude des Erwartens um so länger.
    Befinden sich in der Nähe der Sommerfrische
hohe Berge,
    welche Gletscher, Abgründe, steile Felskegel, Lawinen und ähnliche interessante Eigentümlichkeiten aufzuweisen haben, so hüte man sich, Freunden zu begegnen, welche des passionierten Bergsteigens verdächtig sind. Wird man eingeladen, den Berg zu ersteigen, so sage man zu und erscheine nicht an der Stelle, an welcher aufgebrochen wird. Man bedenke immer, daß es eine große Freude ist, bei einem Absturz mit einigen unbedeutenden Hautabschürfungen davonzukommen, daß solches aber niemals der Fall ist. Meist wird man später zerschmettert aufgefunden.
    Man lasse sich nicht durch die Thatsachen verführen, daß man, abgestürzt, in allen Blättern genannt und so auf leichte Art populär wird. Man bedenke, daß dies doch mit dem Leben oder den gesunden Gliedern viel zu teuer bezahlt sein kann.
    Es giebt allerdings Fälle, wo alles Sträuben nichts hilft und man der Einladung, das Klettern mitzumachen, mit dem besten Willen nicht auszuweichen vermag. Nun, wenn alle Stricke reißen, so lasse man sich anseilen.
    Will man sich ohne Gefahr amüsieren, so kaufe man sich einen Alpenstock und lasse eine Anzahl Höhennamen hineinschneiden. Das Amüsement besteht darin, daß in der Heimat dem betreffenden Alpenstock geglaubt und daß man als Bergsteiger bewundert wird, während man doch nur ein gewöhnlicher Thalsteiger ist.
    Man lasse sich durch die Billigkeit eines Führers nicht verleiten, irgend eine höchste Spitze zu erklimmen. Wenn man abstürzt, so wird dies Vergnügen durch den billigen Preis, für den der Führer mitgegangen ist, nicht gesteigert. Aber man versäume nicht, den billigen Führer zu empfehlen, um ihm Kunden zu verschaffen, denn er ist kein reicher Mann und hat gewöhnlich eine große Familie zu ernähren.
    Will man aber eine halsbrecherische Tour unternehmen, so lasse man solche bis nach der Sommerreise. In die Heimat zurückgekehrt, ersteige man ein im Bau begriffenes hohes Gebäude mit Benutzung der außen angebrachten Leitern. Auch hier kann ein großes Unglück geschehen.
    Wer das Glück hat, eine schön gelegene
Sommerwohnung
    in der Nähe der Stadt zu besitzen, soll den Tag nicht vor dem Abend loben. Denn am Abend können Gäste aus der Stadt kommen. Aus einem ähnlichen Grund soll ein solcher Mann auch den Morgen nicht vor dem Mittag und den Mittag nicht vor dem Nachmittag, wie die Nacht nicht vor dem Morgen loben.
    Wenn man merken will, daß man viele Freunde und Bekannte hat, so habe man eine Sommerwohnung, und man wird sofort und täglich merken, daß man mehr Freunde und Bekannte hat, als man, so lange man in der Stadt wohnte, zu haben glaubte.
    Will man eine Probe auf dies Exempel machen, so ziehe man in die Stadt zurück. Hier wird man wochenlang wenige Freunde und Bekannte haben, wohl auch ganz allein sein müssen.
    Man sorge für gutes Wetter, wenn man eine Landwohnung hat, denn man nimmt dem Landwohner schlechtes Wetter sehr übel, welches allerdings das Wiederkommen der Besucher nicht verhindert.
    Liebt man es, Freunde auch nachts im Hause zu haben, so sorge man für Fremdenzimmer. Andernfalls erinnere man beim Abendessen von zehn zu zehn Minuten daran, daß der vorletzte Omnibus, das vorletzte Dampfboot oder der vorletzte Eisenbahnzug präzise (folgt Angabe der Zeit) nach der Stadt abgehe. In der Zeit irre man sich um zehn Minuten zu seinen Gunsten.
    Sind die Früchte im Garten reif, so behaupte man das Gegenteil und erzähle eine Schaudergeschichte von einem Cholerafall infolge des Genusses unreifer Früchte.
    Sehnt man sich nach zertretenen

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