Der Modigliani Skandal
»Würdest lieber vor dem Fernseher sitzen und Barlow zuschauen?« Lampeth zwang sich zu einem Lächeln. Er sah nur selten fern, und es war ihm zuwider, Charlie genannt zu werden, außer von seinen ältesten Freunden. Der Mann, den er anlächelte, war nicht einmal ein Freund: Er war der Kunstkritiker einer Wochenzeitschrift, ein Mann mit sehr viel Sinn für Kunst, zumal Bildhauerei, jedoch ein schrecklicher Langweiler. »Hallo, Jack, freut mich, daß Sie kommen konnten«, sagte Lampeth. »Mir wird's hier tatsächlich ein bißchen zuviel, muß ich sagen.«
»Na, ist doch verständlich«, sagte der Kritiker. »Schweren Tag gehabt, wie? Unheimlich anstrengend, den Preis eines armen Malers um ein paar Hunderter zu drücken, was?«
Lampeth zwang sich wieder zu einem Lächeln, bequemte sich jedoch zu einer Antwort auf die im scherzhaften Ton vorgebrachte Beleidigung. Bei der Zeitschrift handelte es sich um ein sogenanntes linkes Blatt, das sich verpflichtet fühlte, jeden herunterzumachen, der an der Kultur Geld verdiente.
Er sah, daß sich Willow durch die Menge in seine Richtung drängte, und er empfand ein Gefühl der Dankbarkeit gegenüber seinem Juniorpartner. Der Journalist schien das zu spüren und entschuldigte sich.
»Danke für die Errettung«, sagte Lampeth leise zu Willow.
»Weiter kein Problem, Lampeth. Weshalb ich eigentlich hergekommen bin - Peter Usher ist hier, und ich dachte mir, daß Sie vielleicht selbst mit ihm sprechen wollen ...«
»Ja. Hören Sie, ich habe mich entschlossen, eine Modigliani-Ausstellung zu machen. Wir haben die drei Bilder von Lord Cardwell, die Skizzen, und heute morgen eröffnete sich noch eine weitere Möglichkeit. Das ist als Kern zunächst einmal genug. Würden Sie es bitte übernehmen, weitere Fühler auszustrecken?«
»Selbstverständlich. Aber der Gedanke an eine Usher-Ausstellung ist damit wohl vorerst gestorben.«
»Ich fürchte ja. Dergleichen ist auf Monate hinaus nicht durchführbar, und das werde ich ihm sagen. Natürlich wird ihm das nicht gefallen. Andererseits wird's ihm auch nicht weiter schaden. Auf lange Sicht wird sich sein Talent durchsetzen, unabhängig von dem, was wir unsererseits tun.«
Willow nickte und entfernte sich, und Lampeth machte sich auf die Suche nach Usher. Er fand ihn am entfernteren Ende der Galerie, wo er vor einigen der neuen Gemälde saß. Bei ihm befand sich eine Frau, und beide teilten sich ein Tablett voller Leckerbissen vom Büfett.
»Darf ich mich zu Ihnen gesellen?« fragte Lampeth.
»Natürlich. Bedienen Sie sich nur. Die Sandwiches sind köstlich«, sagte Usher. »Ich habe schon seit Tagen keinen Kaviar mehr gegessen.«
Lampeth lächelte und nahm ein würfelförmiges Stückchen Weißbrot. Die Frau sagte: »Peter versucht sich in der Rolle des zornigen jungen Mannes, aber dafür ist er zu alt.«
»Mit meinem vorlauten Weib hatten Sie wohl noch nicht das Vergnügen, wie?« frage Usher.
Lampeth nickte. »Sehr erfreut«, sagte er. »Wir sind an Peter gewöhnt, Mrs. Usher. Wir tolerieren seinen Sinn für Humor, weil wir seine Arbeit so sehr schätzen.«
Usher nahm die Zurechtweisung gelassen hin, und Lampeth wußte, daß er genau die richtigen Worte gefunden hatte: gemessene Schelte, versüßt mit großem Lob.
Usher verdrückte ein weiteres Sandwich, nahm dann einen kräftigen Schluck Wein und sagte: »Wann ist es denn nun soweit mit meiner Ein-Mann-Ausstellung?«
»Nun, genau darüber wollte ich mit Ihnen reden«, begann Lampeth. »Ich fürchte, wir werden das noch ein wenig hinausschieben müssen, denn sehen Sie -«
Usher fiel ihm abrupt ins Wort: sein Gesicht mit dem Jesus-Bart und dem langen Haar begann rot anzulaufen. »Sparen Sie sich lange Erklärungen - Sie haben etwas gefunden, das Ihnen besser in den Kram paßt. Um wen handelt es sich?«
Lampeth seufzte. Genau dies hatte er vermeiden wollen.
»Wir werden eine Modigliani-Ausstellung machen. Aber das ist nicht der einzige -«
»Wie lange?« fragte Usher scharf und laut. »Wie lange muß ich warten, bis Sie meine Ausstellung machen?«
Lampeth spürte Blicke auf seinem Rücken: Zweifellos beobachtete eine Anzahl der Besucher die Szene. Er lächelte und beugte sich vor wie zu einem vertraulichen Gespräch; vielleicht konnte er Usher auf diese Weise dazu bringen, sich nicht so sehr zu echauffieren. »Schwer zu sagen«, murmelte er. »Wir haben ein sehr volles Programm. Hoffentlich Anfang nächsten Jahres -«
»Nächstes Jahr!« rief Usher. »Ja, Himmelherrgott,
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