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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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er sich hatte gehenlassen, weil er sich derart panisch aufgeführt hatte, mit seiner Furcht vor der Dunkelheit und der Erde. Er hatte Goethe in seiner Verwirrung für seinen Vater gehalten, und dieser Schreck hatte ihn in eine noch tiefere Starre fallen lassen. Sein Vater, Matthew Lewis, dessen Namen er mit Ekel trug, war der Mann, der seine Mutter ins Unglück gestürzt hatte, mit seinen Affären und seiner schlussendlichen Scheidung. Ein herrischer, widerlicher Mensch, der sein übles Wesen auch auf den Plantagen in Westindien und auf Jamaika auslebte. Lewis spürte bei diesen Gedanken, wie der Hass in ihm aufstieg und seine Furcht vor der kalten, feuchten, düsteren Umgebung überrannte. Wie hatte er nur den Geheimrat, diesen großartigen Menschen für seinen abstoßenden Erzeuger halten können?
    Lewis atmete tief und spie aus, wie um den letzten Staub aus seinem Körper zu würgen. Er musste sich auf den Moment besinnen: Wohin führte ihn Goethe? Sie waren zweifellos in dem engen Stollen verschüttet und mussten wieder hinaus, aber warum lief der Geheimrat immer tiefer in den Berg hinein, wo es doch naheliegender gewesen wäre, an der Einsturzstelle auf Hilfe von außen zu warten? Immerhin, jener Teil des Stolle n s war vielleicht nicht mehr sicher, die Wände mürbe und die Decke verwittert. Wer wusste, was der Schuss des verräterischen Muntzer noch beschädigt hatte? Vielleicht war der Stollen schon zuvor marode gewesen, und die beiden hatten ihn und Goethe dorthin gelockt, um ein Attentat zu verüben? War dies ein Auswuchs des Grolls gewesen, von dem Lewis auf dem Marktplatz von Weimar erfahren hatte? Er dachte an den erzürnten Bergmann in Ilmenau und an diesen geheimnisvollen Menschen, der sich Krafft nannte. Vielleicht waren dies Mosaiksteinchen, die es zu einem Bild der Verschwörung zusammenzusetzen galt.
    Er beschloss, Goethe seine Überlegungen mitzuteilen und ihn dazu zu befragen. Tief in seinem Kopf sagte ihm etwas, dass es heilsam für ihn sei, sich mit derlei Dingen zu beschäftigen, als an ihre, nein, an seine Lage hier unter dem Berg zu denken, und seine Kehle sagte ihm unmissverständlich, dass er schrecklichen Durst litt.
    Er räusperte sich, und Goethe drehte sich um, ohne seinen zügigen, wegen der niedrigen Decke etwas gebeugten Gang zu verlangsamen. „Geht es Ihnen gut?“
    „Ich habe nur eine sehr trockene Kehle.“
    „Ich auch, glauben Sie mir. Ich denke seit einiger Zeit an nichts anderes als die Kiste Port aus Bremen, die vor zwei Tagen bei mir ankam und die ungeöffnet meiner harrt. Sobald wir hier heraus und wieder in Weimar sind, das verspreche ich Ihnen, werden wir uns gemeinsam ihrer bemächtigen und nicht mit dem Trinken aufhören, bis die Flaschen geleert sind!“
    Lewis wollte dieses großzügige Angebot nicht mit der profanen Bemerkung abtun, ihm sei ein Becher klaren Wassers in diesem Moment mehr wert als aller Wein Portugals. Dazu fiel ihm auf, dass dieser Art Portweinkonsum den Geheimrat geradezu zu einem Engländer ehrenhalber machen würde. Des Weiteren fragte er sich, wo der Deutsche sein passables Englisch gelernt hatte. Auch kannte er sich mit diesen und jenen britannischen Dingen recht gut aus, wie Lewis sich erinnerte, als er an das Gespräch im Gasthaus zurückdachte.
    „Sie haben eine recht englische Zunge, Herr Geheimrat“, sagte er, „und zwar in beiderlei Belang.“
    „Oh, durchaus“, rief Goethe zurück und lächelte, was im schwankenden Licht der Laternen jedoch zu einer argen Grimasse geriet. „Port ist mir ein sehr geschätztes Getränk. Ich erinnere mich an ein Gelage mit dem Herzog, dem Prinz von Preußen und dem Dichter Varnhagen, das so etwa siebzehn Jahre zurückliegt. Der Herzog beliebte, sich früh zurückzuziehen, doch mit dem Prinzen hatte ich meinen Spaß, was das Wetttrinken anging. Varnhagen meinte später, ich könne geradezu fürchterlich trinken. Im Gegensatz zu ihm hatte ich jedoch am nächsten Morgen kein Kopfweh und fühlte mich sehr wohl.“
    Goethe schien in der Ferne etwas zu erblicken und schaute dann wieder zu Lewis. „Aber wir sollten nicht mehr vom Trinken reden, sondern uns darauf freuen. Wir sind schon so gut wie aus dem Berg heraus.“
    Lewis versuchte, an Goethe vorbei etwas zu erkennen, sah aber nur Schwärze. Plötzlich hielt Goethe an, und auch Lewis blieb stehen.
    „Schauen Sie“, sagte Goethe und lächelte, diesmal von etwas vorteilhafterem Licht beschienen, da er die Laterne ruhig in der Hand hielt.
    Lewis sah

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