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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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rannte im Stollen zurück. Er verschwand hinter einem Vorhang aus Staub und Geröll, der dort niederstürzte, wo er zwei Lidschläge zuvor noch gestanden hatte.
    „Rasch!“, schrie Goethe dem erstarrten Lewis zu. Schnell setzte er die Laternen ab, sprang herbei und half Goethe, den leblosen Körper Weihrachs weiter in den Stollen zu zerren, fort von dem einstürzenden Deckenteil. Doch es misslang ihnen. Große Bruchstücke fielen herab und begruben Beine und Leib des Mannes. Goethe und Lewis taumelten zurück, flohen vor dem Felssturz, der so plötzlich endete, wie er begonnen hatte.
    Die umgestürzten Laternen erloschen, und Dunkelheit herrschte unter der Erde.

Siebtes Kapitel
    In welchem in geheime Tiefen vorgedrungen wird
    L ewis erwartete den Tod.
    Um ihn herum war es finster und grabesstill. Nur mit Mühe konnte er atmen, Staub drang ihm in Mund und Nase, so dass er glaubte, ersticken zu müssen. Er spürte, wie die gesamte Last des Berges sich auf seiner Brust sammelte, um ihn langsam und qualvoll zu erdrücken, und dann, dann würde er für immer in diesem schwarzen Grab verschlossen sein, bis zum jüngsten Gericht.
    Er spürte den harten Boden unter seinem Rücken. Er lag noch immer, wie er gefallen war, denn eine Lähmung hatte seine Glieder ergriffen, die einer Totenstarre ähnlich war. Die Kälte aus dem Stein sickerte durch seinen Rock und sein Hemd tief in sein Fleisch, und doch spürte Lewis es kaum. Seine Gedanken kreisten um den Tod und das Sterben, das hoffentlich schnell über ihn kommen mochte, um die Qualen des lebendig Begrabenseins zu beenden. Er versuchte, sich von diesem offenen Erwarten ins Schattenreich hinübertragen zu lassen, denn etwas in seinem Geist pochte leise gegen die Mauern der Ergebenheit und erinnerte ihn an seine furchtbare Situation.
    Lewis presste die Lider fester zusammen und versuchte zu sterben.
    Als er glaubte, es beinahe geschafft zu haben – denn das Pochen war verstummt –, bemerkte er einen Schimmer, der durch seine Lider drang. Immer heller wurde dieses Licht, und sein Leuchten erwärmte ihn, erfüllte ihn mit tiefem Frieden. Er war tot. Das Leiden hatte ein Ende, kaum dass es begonnen hatte. Ihm waren die verzweifelten Schreie, welche die Lunge zerfetzten und das letzte Quäntchen Luft aus dem Leib trieben, erspart geblieben. Auch das verzweifelte Scharren, das die N ägel der Finger zersplittert, deren Fleisch zerrissen und die Knochen darunter geschliffen hätte, hatte er nicht auf sich nehmen müssen. Das Licht hüllte seinen Körper in überirdisches Leuchten und lockte ihn, es mit offenen Augen zu schauen.
    Lewis blinzelte – und war überrascht, dass ihm dabei Staub in die Augen geriet und höllisch schmerzte. Rasch zuckten seine Hände zum Gesicht, als die Starre von ihm abfiel. Doch nur für einen Augenblick, dann verharrten seine Arme auf halbem Wege, von unsichtbarer Kraft aufgehalten. Lewis spürte eisenharten Druck auf seinen Knochen und das Brennen in den Augen, und er fühlte sich scheußlich lebendig.
    „Lassen Sie die Finger von den Augen, Sie machen es nur schlimmer!“, schalt eine Stimme und fügte gleich darauf milder hinzu: „Warten Sie ...“
    Dann spürte Lewis, wie ein weiches Tuch leicht über sein Gesicht glitt. „Jetzt lassen Sie die Augen zu. Versuchen Sie, ein paar Tränen zu produzieren, das wäscht den Staub aus.“
    Die Stimme gehörte beglaubigt Goethe, wenn sie auch etwas rau und belegt klang. „Aber geraten Sie nicht ins Jammern, so schlimm ist unsere Lage keineswegs.“
    Lewis tat, wie ihm geraten, und dachte nach. Tot war er nicht, und das Licht um ihn herum verhieß Gutes. Abgesehen vom langsam nachlassenden Schmerz in den Augen fühlte er sich nicht sonderlich übel. Nun, da war der kalte, steinige Boden, der Geröll in seinen Rücken drückte, das Atmen war wenig erquickend, und in seiner Kehle machte sich ein Kratzen bemerkbar. Aber sonst schien seine Lage bestens – seine unheilvollen Gedanken zuvor schienen unbegründet. Alles sprach dafür, dass er einige Zeit besinnungslos gewesen war und nun schon längst gerettet unter dem hellen Sonnenlicht lag. Der untergehenden Sonne allerdings, wenn er es recht bemerkte, denn der Schein war recht schwach. Lewis fragte sich, warum nichts weiter zu hören war als das Atmen Goethes und ein leises Klappern – und warum bewegte sich die Luft nicht, wenn er unter freiem Himmel lag?
    Nun konnte er es wagen, die Augen zu öffnen, das Brennen hatte nachgelassen. Durch den

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