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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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verspüre, selbst an der Kampagne teilzunehmen, Zeuge bei etwas Weltgeschichtlichem zu sein!“
    Er sah zu Lewis hinunter und streckte die Hand aus. „Kommen Sie! Wir sollten uns wieder um unsere persönliche Lage kümmern, als große Probleme zu wälzen.“
    Lewis zögerte, die Hand zu ergreifen. Zu ähnlich war Goethe jäh seinem abscheulichen Vater geworden. Das Benehmen, die Ansichten, und hier, in diesem dämmerigen Licht, schien sich auch die Physiognomie des Geheimrats wieder in die des Kriegssekretärs Matthew Lewis zu verwandeln. Mit einem Mal traten auch die Wände des Stollens wieder hervor, drangen auf Lewis ein und wollten ihn mit steinerner Umarmung erdrücken. Er wich zurück, bis er mit dem Rücken an den feuchten Fels stieß und gepresst aufschrie.
    Goethe griff mit beiden Händen zu, riss Lewis an den Schultern hoch und stellte ihn auf die Füße.
    „Lewis! Sehen Sie nach oben! Nur nach oben!“ Der Geheimrat drückte das Kinn des Engländers etwas gröber als nötig nach oben. Lewis blickte in den senkrecht aufragenden Tunnel des Schachtes und auf das Fleckchen Himmel, das sich an dessen Ende abzeichnete, und wie ihn zuvor die Stollenwände bedrängt hatten, so zog und lockte ihn nun das Licht, das den Weg an die Oberfläche wies.
    „Wir müssen hier heraus. Heraus!“, stieß er hervor, und seine Stimme schwankte dabei.
    Goethe räusperte sich. „Wir müssen auf uns aufmerksam machen. Die Retter müssten ganz in der Nähe sein. Wir sollten schreien.“
    „Ha!“, schrie Lewis.
    „Schon ganz ordentlich“, urteilte Goethe, „aber etwas langgezogener und lauter würde ...“
    „Nein, schauen Sie, dort oben!“, unterbrach Lewis ihn und deutete hastig den Schacht hinauf.
    Goethe folgte mit seinem Blick den zitternden Fingern des Engländers, und tatsächlich, es hatten sich mit einem Mal zwei dunkle Flecke in das Rund des Schachtes über ihnen geschoben, die nur die Köpfe zweier Menschen sein konnten, die in die Tiefe herabblickten.
    „Na bitte“, lachte Goethe zufrieden. Dann nahm er die Laterne auf und schwenkte sie über dem Kopf. „Hier unten!“, rief er nach oben, und sogleich scholl freudiges Rufen von oben herab. Neben einem der Köpfe wuchs ein Arm hervor, der offensichtlich einige Nebenstehende heranwinkte.
    „Sind Sie wohlauf?“, drang es zu Lewis und Goethe, und letzterer bejahte heiser. Dann brüllte einer der Helfer, sie würden gleich ein Seil hinablassen, sobald ein genügend langes herangeschafft sei. Goethe schrie hinauf, die Männer möchten sich beeilen.
    Dann sah er Lewis an. „Nun denn. Es ist so gut wie vorbei. Nur noch einen Augenblick ...“
    Lewis nickte, und seine Unterlippe zitterte.
    Goethe sprach ihm ruhig zu: „Am besten, Sie achten allein auf das, was über Ihnen geschieht. Wenn das Seil herabgelassen wird, werden Sie als erster hinaufgehen, dann kann ich Ihnen helfen. Nur Mut!“
    Lewis schaute Goethe dankbar an, und der vollführte eine gönnerhafte Geste. Dann räusperte er sich. „Nun wäre mir sogar Wasser recht. D er Hals ist mir staubtrocken.“
    Lewis schien es nötig, wieder etwas Willenskraft zu zeigen. Er deutete hinter sich und versuchte sich an einem fröhlichen Lächeln. „Es ist zwar nicht der beste Trunk, aber ich glaube, hier sickert Wasser aus dem Fels.“
    Goethe riss die Augen auf. Dann packte er Lewis und zerrte ihn zur Seite. Mit fliegenden Fingern tastete er das Gestein ab und zog dann die Hände zurück. Sie schimmerten feucht. Lewis war erstaunt, wie der Durst Goethe zu so einer fahrigen Handlung treiben konnte, stutzte aber, als Goethe mit der Laterne den Stollen ableuchtete. Goethes Sohlen machten leise Geräusche, und so blickte auch Lewis zu Boden. Hier und da hatten sich bereits kleine Wasserlachen gebildet, auf denen Staub schwamm und deren Oberfläche sich zu bewegen schien. Dies mochte noch auf Goethes Schritte zurückzuführen sein, es erklärte aber nicht, warum die Lachen sich auszudehnen schienen. Jetzt sah Lewis im unebenen Boden winzige Rinnsale, die das Wasser heranführten und die langsam, aber stetig anschwollen.
    „Was geschieht hier?“, rief er Goethe zu.
    Der sprang an seine Seite und sah hastig nach oben, wo einer der Köpfe verschwunden war, der andere jedoch ausharrte und hinuntersah.
    „Ein Wassereinbruch. Irgendwo ist eine Wasserader angeschlagen. Oder ein Kunstgezeug gebrochen. Oder sonst etwas.“ Goethe blickte zu seinen Stiefeln, die nun schon über die Sohlen im Wasser standen. „Auf jeden

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