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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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Fall steigt es rasch an.“
    Dann sah er Lewis fest ins Gesicht. „Es wäre ratsam, wenn wir schnell hier herauskämen.“ In den Schacht hinauf brüllte er: „He! Es eilt! Der Stollen läuft voll!“
    Die kleine Gestalt vor dem Fleckchen Himmel hob die Hand an den Kopf und fuchtelte dann wild. Rufe hallten im Schacht wider.
    Lewis beobachtete bestürzt, wie das Wasser seine Knöchel zu umspülen begann. Er versuchte, einen ermutigenden Blick von Goethe zu ergattern, doch der starrte mit zusammengebissenen Zähnen nach oben. Lewis sah sich hektisch im Stollen um. Woher das Wasser eindrang, war nun nicht mehr auszumachen, mittlerweile strudelte es durch den Gang, schlug an die Wände und brach sich spritzend an einigen grob gehauenen Vorsprüngen. Seine Laterne war untergegangen, und so spendete nur die in Goethes Hand ein wenig Licht.
    Als das Wasser Lewis’ Waden erreichte und über die Ränder der Stiefelschäfte schwappte, fühlte er die eisige, unterirdische Kälte. Dieser Schock riss ihn aus seinem Starren, und er schlug ungestüm mit der Faust gegen die Stollenwand. „Ja, Himmel, hilft denn keiner? Was treiben die da oben?“
    Goethe wich zurück, ohne ihn anzusehen.
    Plötzlich spritzte Wasser zwischen ihnen beiden auf. Lewis fürchtete im ersten Augenblick, sein unbedachter Schlag gegen die Wand hätte einen neuerlichen Einsturz zur Folge gehabt, als er erkannte, dass es das lange Ende eines Seiles war, das in das schenkeltiefe Nass gefallen war. Aus den Fluten ragte der mit Knoten versehene Strang in die Höhe, wuchs den Schacht empor und endete im Himmel. Lewis erschien es wie das Mangobaumwunder, von dem er gehört hatte, indische Fakire k ö nnten es vollbringen. Zögerlich griff er nach dem Seil, als Goethe es ihm auch schon fest in die Hand drückte.
    „Los! Klettern Sie!“, rief er, während er sich gegen die nahezu hüfthohe Strömung stemmte. „Der eingestürzte Gang ist dem Wasser ein Hindernis, und so staut es sich noch rascher als erwartet!“
    Lewis umfasste das Seil, zog sich ein Stück hoch und setzte die Stiefel auf einen der Knoten. Prompt rutschten seine nassen Sohlen ab, und er klatschte mit den Füßen ins Wasser zurück. Schmerzlich schoss das Seil zwischen Fingern und Handfläche hindurch. Er versuchte es erneut, und es misslang wieder.
    „Ich kann mich nicht halten, ich bin zu geschwächt“, klagte er.
    Goethe drückte ihm die Laterne in die wunden Finger, bückte sich und verschwand bis zu den Schultern im Wasser. Er kam mit dem Seilende in der Faust wieder nach oben, schlang das dünne Tau um Lewis’ Brust und knüpfte einen Knoten, den er fester zog, als es möglicherweise nötig gewesen wäre. Dann schrie er: „Zieht ihn rauf! Los!“
    Lewis schenkte er einen munteren Blick, als er die Laterne wieder entgegennahm. „Das wird schon gelingen!“ Dann schlug er ihm auf die Schulter, und im gleichen Augenblick riss es Lewis nach oben, in den Schacht hinein. Er blickte zurück und sah Goethe bis zur Brust im Wasser stehen, die Laterne hoch erhoben. Dann schlug er schmerzhaft mit der Schulter gegen die Schachtwand und begann, sich zu drehen. Er musste nach oben schauen und mit den Händen das Seil greifen. Es begann, ihm die Luft abzuschnüren, und er atmete schwer. Das Rauschen des Wassers von unten wurde schwächer, und schon hörte er die ersten deutlichen Stimmen von oben: Männer, die einander beim Ziehen am Seil anfeuerten. Er scharrte erneut an der Schachtwand entlang, die nun nicht mehr nur aus Gestein bestand, sondern aus nasser, lehmiger Erde.
    Da griffen kalte, knorrige Hände nach ihm, und er erschrak! L ängst war er nicht am oberen Ende des Schachtes angekommen, der Himmel über ihm war nur ein Fleck, und rings um ihn war noch erdige Dunkelheit. Die Hände und Klauen rissen an seiner Kleidung, an seinem Haar und schabten über sein Gesicht. Er schrie und schlug um sich, schützte seine Augen mit den Händen, als plötzlich dürre Arme seinen Brustkorb umfingen und ihm die Luft abschnürten. Seine Schreie wurden erstickt, und seine Gegenwehr wurde schwächer.
    Er wollte schon verzweifeln, als es plötzlich strahlend hell und warm um ihn wurde. Menschliche Hände ergriffen ihn und zogen ihn in die milde Sommerluft, legten ihn in weiches Gras. Schemenhafte Gestalten warfen Schatten auf ihn, doch er blinzelte ihnen nur schwach entgegen. Eine Klinge blitzte in der Sonne und zerschnitt die Schlinge um seine Brust. Er atmete tief ein. Rufe klangen um ihn herum, und dann

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