Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
gewissenhaft überwachen würde.
Die herzliche, ja sehr herzliche Begrüßung war Lewis trotz seines Zustandes aufgefallen und ließ auch frühere Dinge in anderem Licht erscheinen. Dazu kam die Bemerkung Goethes, die dieser im Gasthof von sich gegeben hatte und die Lewis zu der Überlegung führte, warum Böttiger als Klatschbase verschrien war, wenn der Geheimrat sich doch selbst um jede Kleinigkeit des gesellschaftlichen Lebens um ihn herum scherte. Dennoch, was Eleonore Böttiger betraf, so musste Lewis sich eingestehen, dass die junge Frau ihm nicht allein von den gastgeberischen Pflichten her so überaus freundlich zugetan war. Auch die Deutung, die Böttiger damals im Speiseraum geliefert hatte, dass Eleonore ihn, Lewis, als aufregenden, da weitgereisten Fremden ansah, schien nicht alles erklären zu können. Eleonore Böttiger schien ihm auch aus ganz anderen Gründen zugetan zu sein, und das, was Lewis nun mutmaßte, erfüllte ihn mit Scham und schlechtem Gewissen dem Hausherrn gegenüber, und wie er so schwitzend und schläfrig unter seinen Decken lag, fragte er sich, warum ihm auf einmal das Bild des jungen Herder durch den Kopf schoss.
Es klopfte. Lewis zuckte zusammen und brachte ein belegtes „Ja?“ hervor. Die Tür öffnete sich sachte, und nachdem warmer Kerzenschein ins Zimmer gefallen war, steckte Eleonore Böttiger ihr Gesicht herein.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte sie sanft.
„Oh ... oh, danke, ja, ich ...“, haspelte Lewis und war dem Himmel dankbar, dass sich prompt ein Kitzeln in seiner Nase bemerkbar machte, das ein Niesen ankündigte. Er kam dem Drang mit Freude nach, da er ihn einer Antwort enthob.
„Das klingt aber nicht so“, meinte Eleonore und trat schnell ins Zimmer.
Lewis zog sich die Decke noch höher vors Gesicht. Ihm wurde auch noch wärmer.
Eleonore sah ihn an und lachte. „Ich denke, das wird sich legen, wenn Sie gut geschlafen haben. Ich habe etwas für Sie.“
Jetzt erst bemerkte Lewis, dass sie in der anderen Hand einen Tonbecher trug, der mit einem kleinen Lappen umwickelt war. Sie stellte ihn auf dem Nachtkasten ab. „Heiße Milch mit Honig, danach schlafen Sie wie ein ... wie Karlchen, zum Beispiel.“ Sie sah versonnen auf den Dampf, der aus dem Gefäß stieg, und als sie Lewis anblickte, tat er rasch so, als stellten die dünnen Schwaden für ihn das faszinierendste aller Schauspiele dar, um ihrem Blick nicht begegnen zu müssen.
„Sie müssen allerdings noch etwas mit dem Trinken warten, es ist noch sehr warm.“
Lewis schickte ein Stoßgebet zum Himmel, dies m ög e nicht bedeuten, Eleonore wolle hier bei ihm abwarten, bis es soweit sei. Er fühlte sich in seinem Bett schrecklich hilflos, obwohl er nicht wusste, was er denn befürchtete.
„Herzlichen Dank“, flüsterte er, und Eleonore sah ihn daraufhin nur an. „Ich hoffe“, fuhr er leise fort, „ich bin bald auf den Beinen und bereite Ihnen keine Mühe mehr.“
„Machen Sie sich keine Sorgen, das ist doch keine Mühe.“ Sie blickte umher, als suche sie eine Falte, die sie geradezupfen konnte, um es Lewis bequemer zu machen. „Möchten Sie noch eine Decke oder ...“
„Nein, nein“, entgegnete Lewis rasch. „Alles bestens.“ Er überlegte fieberhaft. „Ich bin nur ... entkräftet.“
„Oh, dann werde ich Sie nicht weiter stören, Sie brauchen den Schlaf. Trinken Sie aber auf jeden Fall noch die Milch.“
Lewis richtete sich auf, griff nach dem Becher, nahm vorsichtig einen Schluck und nickte.
Eleonore lächelte und ging zur Tür. Lewis fühlte sich befreit, als sie ihn endlich verließ. Dann aber drehte sich Eleonore noch einmal um, das Kerzenlicht flackerte über ihre Züge, und Lewis spürte Wärme in seinem Magen aufwallen, was auch an der Milch liegen mochte, die nun ihr Ziel erreicht hatte.
„Gute Nacht“, sagte Eleonore.
„Gute Nacht“, antwortete Lewis und war froh, dass es nur der Gruß war, der Eleonore vom Gehen abgehalten hatte. „Morgen wird es mir bessergehen“, fügte er hinzu und hob den Becher mit Milch.
„Sehr schön“, flüsterte Eleonore und schlug die Augen nieder. „Dann kann ich Sie sprechen. Ich muss Ihnen nämlich etwas gestehen ...“
Rasch drehte sie sich um, entschwand durch die Tür und schloss sie hinter sich, wodurch es wieder dunkel im Raum wurde. Lewis saß da, den Becher in der Hand, und musste achtgeben, nichts zu verschütten, so sehr war er erschrocken.
In der Nacht stürmte alles auf ihn ein, was ihm tags zuvor widerfahren war,
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