Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
Vom Netzwerk:
atmete pfeifend aus. Er war froh, so leicht aus dieser Situation herausgekommen zu sein. Dann blickte er auf den Brief, dessen Tinte nun trocken war. Ohne noch einmal hinzusehen, legte er ihn fort. Vielleicht war jetzt der richtige Zeitpunkt, um an seinem Lustspiel zu schreiben. Er lachte noch einmal, als wollte er sich vergewissern, dass es ihm gelänge, dann tauchte er die Feder ein.

    Ab und an schrieb er einen kurzen Bericht über die Dinge, die er aus den Mündern der Weimarer Gesellschaft vernommen hatte, und ließ ihn Voigt zukommen. Natürlich gab er nicht wieder, dass etwa der alte Herder sich wiederholt und vehement als Parteigänger der Revolution in Frankreich geäußert und die militärische Intervention gegen sie heftig verurteilt hatte, wenn er gar seine Meinung kundtat, dass es nur einen Stand gäbe, nämlich das Volk, und dass der Erbadel eingebildet sei, sich früherer Verdienste auch nach Jahrhunderten noch zu rühmen.
    Lewis hatte zunächst angenommen, nur im Kreis um die Herzoginmutter Anna Amalia werde so offen und frei geredet, hatte aber dann in den politischen Disputationen den Eindruck gewonnen, dass man selbst in Anwesenheit des Herzogs Carl August kaum anders gesprochen hätte. Weimar war im Flickenteppich der deutschen Staaten zwar nur ein kleines Land, hatte sich jedoch als Sprecher der Unabhängigen positioniert, um weder Wien noch Berlin das Wort zu reden, und das hatte der kunstsinnige Herzog auch dadurch erreicht, dass er den deutschen Dichtern und Denkern Weimar als Stätte des freien Geistes offenbart und deshalb so viele von ihnen im Umfeld seines Hofes versammelt hatte. Das geistige Zentrum Deutschlands war Weimar geworden, und Lewis fühlte sich in solchen Gesprächsrunden stolz, dass er hier ohne große Gesten aufgenommen worden war.
    So konnte er bei seinen Meldungen auch dem zwingenden Argument folgen, dass nichts allzu arg und verfänglich sei, wenn es im Umfeld des Hofes geäußert wurde. Stattdessen konzentrierte er sich auf unbedachte Nebensätze, aus denen sich möglicherweise schließen ließ, dass jemand den Deckmantel der freien Gedanken zu mörderischem Handeln ausnutzte.
    An einem feuchten Spätseptembertag verließ Lewis in der Dämmerung das Haus, den Umschlag mit seinem Bericht unter dem Rock verborgen, und strebte auf den Park an der Ilm zu. Zeit und Stunde schienen ihm günstig, denn wer würde um diese Zeit und bei diesem Wetter über die Wege wandeln und ihn bei seinem heimlichen Tun beobachten? Die Bewohner Weimars saßen in ihren Zimmern und Stuben und ließen den Regen Regen sein. Lewis hatte einen Regenschauer abgepasst, und jetzt lief er gemächlich über das glänzende Pflaster, den Kragen des Mantels ein wenig hochgeschlagen, da ab und an ein Windstoß sprühende Tropfen von den Bäumen schüttelte. Im Park troffen die Äste vor Nässe, und leichter Dunst stieg aus der Ilm auf. In der Mitte der Floßbrücke blieb Lewis stehen und sah aufs Wasser hinab, dessen Oberfläche schon hier und da mit vergilbten Blättern gesprenkelt war.
    Lewis hatte Tage zuvor in Herders Volksliedern gelesen und dort vor allem über dem Wassermann verweilt. Wenn auch aus dem Dänischen übertragen, so schien ihm diese Mär sehr gut hierher zu passen, vor allem, weil ihm Eleonore erzählt hatte, an manchen Stellen der Ilm hausten Nixen – Wasserfrauen also. Hier im Park zeige sich dann und wann eine wunderschöne Jungfrau im weißen Kleid und mit langen, gelben Haaren. Ihr Schloss indes liege an einer der tieferen Stellen der Ilm, und zwar in der Nähe der roten Brücke bei Tiefurt. Mitunter käme das Wasservolk zur lustigen Gesellschaft und zum Tanz herauf auf die Auen der Ilm, doch währe das Vergnügen – das man als Mensch nur selten zu Gesicht bekäme – stets nur bis Mitternacht, denn dann müssten die Nixen wieder in ihrem feuchten Element sein.
    Lewis fragte sich, ob die Wasserfrauen nach der fraglichen Zeit von ärgeren Geschöpfen im Tanz abgelöst würden oder ob sie gar durch diese vertrieben wurden. Er spähte ins Wasser, das mit dem schwindenden Licht immer dunkler und undurchsichtiger wurde. Schatten schienen über den Grund zu tanzen, doch sicher waren es nur die der Blätter, die die Strömung davontrug.
    Lewis stieß sich vom hölzernen Geländer ab und machte sich auf den Weg zu dem hohlen Baum, in dem er seinen Bericht zu deponieren hatte. Dann und wann schaute er sich um, ob ihn auch niemand beobachtete. Wieder hatte Regen eingesetzt, und Lewis

Weitere Kostenlose Bücher