Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
Trinkgefäßes.“
Lewis nickte mit bebenden Lippen.
„Hier dürfen Sie natürlich eine Ausnahme machen.“ Voigt lächelte raubtierhaft und gab Lewis endlich das Glas. Der trank und spürte mit Entspannung, wie die wärmende Flüssigkeit in seinen Magen strömte.
Voigt hob ein anderes Glas, drehte es kurz im Licht. „Nach diesem kurzen Vortrag möchte ich Ihnen danken. Gute Arbeit.“ Er trank auch. „Ich denke freilich, Sie sollten Jena eine Zeitlang meiden.“
„Das freut mich zu hören.“ Lewis war erleichtert. Seine Nachrichten hatten ihn tatsächlich seines Auftrages entledigt.
„Von nun an werden Sie verstärkt in Weimar Augen und Ohren offen halten!“
Lewis seufzte, und Voigt lächelte.
„Freuen Sie sich, die Sache wird sehr amüsant. Sie werden oft ins Theater gehen, denn dorthin begeben sich nicht nur die braven Bürger, sondern auch die Aufrührer, die dort – umgeben von der leichten Muse und bei all den freiheitlichen Bühnenworten – eventuelle Mitläufer zu finden glauben. Auf, mein englischer Freund! Zur Jagd in Thalias und Melpomenes Wäldern!“
Voigt lachte, es klang wie eine Raspel, die sich in Eisen fraß, und Lewis wünschte sich halbherzig, in seinem Glas wäre nicht allein Arrak gewesen.
Der September gestaltete sich für Lewis recht angenehm. Zwar befand sich Herder mittlerweile in Jena – ihm waren die Umstände dort verständlicherweise weniger widrig als Lewis –, aber sie schrieben einander häufig und herzlich. Selbst Hardenberg hatte einen Brief gesandt, in dem er noch einmal den Vorfall bedauerte und zum Ausdruck gab, wie sehr ihm daran läge, demnächst eine weitere Zusammenkunft anzustreben. Ohne Zwischenfälle, wenn möglich.
Zur Zerstreuung – und Erfüllung seiner Pflichten – fand sich Lewis bald zum ersten Male vor dem herrschaftlichen Komödien- und Redoutenhaus ein und verbrachte hernach so manche Vorstellung im zweiten Pa r terre. Zuvor und danach parlierte er mit all den Damen und Herren, die er bereits kennengelernt hatte: Wieland und Bertuch waren da und Bode und auch von Knebel sowie Corona Schröter, welche ihm allerdings weniger herzlich gegenübertrat als noch in Tiefurt. Es mochte sein, dass sie ihm den näheren Kontakt zu Goethe übelnahm.
Die Herzoginmutter selbst war dann und wann ebenfalls anwesend, zusammen mit Louise Auguste, der vormaligen Prinzessin von Hessen-Darmstadt, die nun die Gemahlin des Herzogs Carl August war. Mit ihnen kamen das Fräulein von Göchhausen und andere Hofdamen, die sich zunächst wie eine Traube um die Herzoginnen scharten, nur um den unbekannten jungen Engländer hernach wie die Bienen zu umschwirren. Lewis überstand diese Angriffe, weder wurden ihm tiefere Stiche zuteil, noch hatte er welche auszuteilen. Das besorgte Böttiger für ihn, wenn auch nicht allzu geräuschvoll. Dieser war auf Drängen seiner Frau auch oft bei den Schauspielen zugegen und nutzte die Gelegenheit, um seine Zunge zu schärfen.
Die Abende verflogen mit Kotzebues Menschenhass und Reue, Ifflands Frauenstand und Hagemanns Ludwig der Springer. Überrascht war Lewis, in Schröders Die Zwillingsbrüder eine Bearbeitung einen Stückes von Regnard zu sehen, das er selbst schon in Paris erlebt hatte. In der deutschen Fassung war es jedoch derart flach und vulgarisiert, dass Lewis später im Scherz verkündete, eine Farce zum selben Sujet verfassen zu wollen, mit dem ganz und gar nicht enthüllenden Titel: Die Zwillinge. Oder: Ist es er selbst oder sein Bruder? Vor allem der massige Bode lachte darüber herzhaft und sparte nicht mit Schulterklopfen.
Immerhin gab sich der Richard Löwenherz in der Bearbeitung von Andreeebenso ritterlich und edel wie das Original, das Grétry und Sedaine geschrieben hatten. Auch hierüber konnte Lewis beredt Auskunft geben, wobei er die Tatsache, in Paris gewesen zu sein, mit Bedacht herunterspielte. Schließlich sollte er nicht in irgendwie geartete Verdachtsmomente geraten, sondern vielmehr darauf achten, ob sich andere derart hervortaten. Aber selbst nach verschiedenen bürgerlichen Familienstücken flammten keine Reden auf, und auch ausgelassene Operetten lockten nichts hervor.
All dies mochte an einem ernüchternden Ereignis liegen: Die Franzosen hatten inzwischen Frankfurt und Mainz besetzt, und dieser Hinweis auf einen schlichten Eroberungskrieg verdross die deutschen Anhänger der Revolution, ob im Bürgertum oder im einfachen Volk.
Voigt gab Lewis bei einem weiteren Treffen gegenüber offen zu, dass
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