Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
... und dort postiert, weil ...“ Lewis schwankte.
„Ja“, sagte Krafft leise. „Ich konnte hören, wie Löber seinen Schwarzen Brüdern verkündete, dass er Sie umbringen wolle.“
Elftes Kapitel
In welchem es um Leiber und Leben geht
A ls im November der erste Schnee auf das Fensterbrett vor Lewis’ Zimmerfenster fiel, betrachtete er ihn mit Unbehagen. Die weißen Flocken zeigten ihm, wie viel Zeit verflossen war, seit er erfahren hatte, dass man ihm nach dem Leben trachtete. Nein, verbesserte er sich in Gedanken, nichtman, nicht irgendjemand, sondern eine ganz bestimmte Person, die überall und nirgends sein mochte und in jedem Augenblick an jedem Ort auftauchen konnte, um ihn zu töten. Seine Nemesis hieß Gottwerth Heinrich Löber, und dieser hatte sich in Lewis’ Augen vom Schwarzen Bruder zum Gevatter Tod gewandelt. Anders als mit angsterfülltem Sarkasmus konnte Lewis seine Lage nicht mehr betrachten. Er war wie gefangen im Hause der Böttigers, seit Krafft die Mordpläne gegenüber Lewis auch Voigt mitgeteilt und sich dafür ausgesprochen hatte, dass der junge Engländer von nun an unter Schutz gestellt werden müsse. Dieser Schutz war kaum mehr als ein Hausarrest, wenn auch mit einer zusätzlichen Wache in Form zweier zivil gekleideter Soldaten, die in Sichtweite des Böttiger ’ schen Hauses herumlungerten. Lewis konnte sie ab und an von seinem Fenster aus sehen, und als nun der Schnee zu fallen begann und die Männer auf der Stelle tretend die Mantelkrägen hochschlugen, lächelte er bitter. Eventuell sollte er ihnen etwas Gutes tun und zu einem Spaziergang aufbrechen. Solcherlei Abwechslung war ihm gestattet, da den Soldaten befohlen war, ihm in gebührendem Abstand zu folgen. Sie sollten einschreiten können, falls es zu einem Zwischenfall käme, hatte es geheißen. Dass damit nicht irgendein Zwischenfall gemeint war, sondern ein bestimmter, hatte Lewis nur zu gut aus den Worten Voigts herauszulesen gewusst.
Er hatte allerdings den Regierungsrat hinreichend gut kennengelernt, um zu wissen, dass Voigt nicht wirklich um sein Wohlergehen und seine Unversehrtheit besorgt war. Lewis war zurzeit nichts anderes als ein Lockvogel, der Köder in einer Falle, die sich beizeiten um den nach Rache dürstenden und dadurch unter Umständen unvorsichtig handelnden Löber schließen sollte. Die Suche nach ihm und den anderen entkommenen Revolutionären war fruchtlos geblieben, und so hoffte Voigt, wenigstens einen der Schwarzen Brüder durch diese List zu fangen. Dafür schien er gewillt zu sein, den Engländer, der ihm zuvor als Spion gedient hatte, zu opfern. Denn diese Dienste waren nun nicht mehr nötig. Gewiss, Voigt hatte sich erfreut gezeigt, die Schwarzen Brüder – oder zumindest einen Großteil davon – arretieren oder begraben zu können. Er hatte neben all dem Tadel über Unvorsichtigkeiten sogar ein wenig schales Lob für Lewis übriggehabt, oder vielmehr für dessen Fortune, geradewegs in das Verschwörernest gestolpert zu sein. Dann hatte er ihn von seinen Diensten entbunden – zumindest solange, bis Löber gefasst war, danach sollte Lewis sich wieder zur Verfügung stellen. Denn auch wenn die äußeren Dinge nun zum Besseren ständen – man hatte die Franzosen am weiteren Vorrücken gehindert, wodurch zumindest Weimar nicht in Gefahr der Besetzung geriet wie Mainz oder Frankfurt –, so solle man sich im Inneren nicht in Sicherheit wiegen. Lewis werde wie zuvor gebraucht, und es sei seine Pflicht, durch Ermittlungen seine Gastgeber vor Unbill durch weitere Verschwörer oder Mörder zu bewahren.
Lewis seufzte an seinem Sekretär sitzend, während draußen die Schneeflocken umherwirbelten. Er war hier auf ungewisse Zeit gefangen, und danach, wenn er durch Löbers hoffentlich baldige Unschädlichmachung der Gefahr entronnen war, musste er sich hinausbegeben, um im Grunde nach neuer Gefahr zu suchen. Wer wusste, ob dort draußen, im Verborgenen, nicht noch mehr Schwarze Brüder oder andere mörderische Geheimbündler lauerten, die Löbers Fehde weiterführen würden, falls dieser nicht obsiegte?
Lewis konnte nichts weiter tun, als diese Gedanken abzuschütteln und sich durch Arbeit abzulenken. Er übersetzte Gedichte wie Goethes Veilchen und auch die Fischer. Die Arbeit an seinem Schwank ging ihm nur schwer von der Hand, und so verstieg er sich in die Düsternisse des begonnenen Schauerromans. Wielands Anmerkung über das alte Kloster, auf dessen Grund das Wittumspalais der Herzoginmutter
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