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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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schmoren, wenn meine Freunde hier die gefährlichsten Hasardspiele vollführen!“ Er sah Herder und Lewis ernst an. „Es geht euch wieder gut?“
    Beide nickten nachdrücklich, wenn auch mit verkniffenen Gesichtern. Ihre Verletzungen waren in den vergangenen Wochen verheilt, doch plagten sie immer noch die Erinnerungen an die schlimmen Ereignisse. Sie hatten versucht, sich so gut als möglich abzulenken, durch Arbeit und Studium – wobei Herder es noch nicht wieder wagte, auch nur einen Fuß in das Anatomische Theater zu setzen – sowie durch allerlei Zeitvertreib, doch eine rechte Linderung schien erst jetzt möglich, da mit Hardenberg ein Mensch zugegen war, dem sie sich mitteilen konnten. Wenn sie auch hatten schwören müssen, über den mitternächtlichen Kampf mit dem teuflischen Magister Stillschweigen zu bewahren, so waren sie übereingekommen, Hardenberg gegenüber eine Ausnahme machen zu dürfen: Schließlich wurzelten diese Ereignisse in der alten Fehde zwischen ihm und dem gerechterweise zur Hölle gefahrenen Löber. Nun war Hardenberg wieder in Jena, und alle drei hofften auf eine herrliche Zeit.
    Sie lenkten ihre Schritte in Richtung Gasthaus.
    „Was meintest du mit den Turmwächtern und was geschehen könnte?“, fragte Lewis Hardenberg.
    „Oh, das ist eine Geschichte, die sich vor über hundertfünfzig Jahren hier zugetragen hat“, begann der und deutete zum Tor zurück. „Die Studenten haben sich schon früher den Jokus gemacht und die Turmwächter, der äffischen Wasserspeier wegen, als Affenwächter bezeichnet. Das hörten diese nicht gern, und irgendwann kam es zu einer Rauferei, bei der einer der Studenten zu Tode kam.“
    Herder grunzte: „Nun, falls du mir dieses Schicksal zugedacht hattest, dafür braucht es mehr als ein paar schwach geschleuderte Schneebälle!“
    Hardenberg rieb sich das Kinn und blickte erneut zum Johannistor. „Nein, ich denke, für diesen feigen, hinterhältigen Angriff sollte man euch beide vielmehr in den Käsekorb stecken.“ Zu Lewis gewandt konnte er noch die Erklärung nachsetzen, dass es sich dabei um einen Erker an der Westseite des Turmes handelte, als Herder empört schnaubte und sich bückte, um eine Handvoll Schnee aufzunehmen. „Der Käsekorb! Der Pranger für zanksüchtige Weiber! Na warte!“
    Im Nu waren die drei in eine weitere Schneeballschlacht verwickelt, die währte, bis ihnen das Haupthaar nass und strähnig ins Gesicht fiel.
    „Jetzt mag es gut sein!“, rief Lewis keuchend. „Ich denke, jeder hat seine Satisfaktion erhalten. Die Gaststube ruft.“
    Herder und Hardenberg waren ebenfalls außer Atem und schienen auch ein wenig zu frösteln, und so nickten sie nur und wandten sich mit Lewis zum Gehen.
    Wieder wischte sich Hardenberg Schnee von Rock und Mantel und stutzte plötzlich. „Wo ist ...“, begann er und sah suchend auf dem Boden umher, der von einem Wust aus zerstampftem Schnee bedeckt war.
    „Deine Taschen sind hier“, meinte Lewis, der nicht sicher war, was Hardenberg vermisste.
    „Nein, nein“, antwortete dieser und strich sich fahrig das Haar aus der Stirn. „Wo ist meine Blume, meine Blume ...“
    Lewis erinnerte sich an ihre erste Begegnung, bei der Hardenberg eine blaue Blume am Revers getragen hatte. Er zuckte die Achseln. „Verblüht? Schon im Sommer?“
    „Nein! Sie verblüht niemals ...“ Hardenberg blickte Lewis und Herder an. Aus seinen großen Augen leuchtete die aufkeimende Furcht über einen schrecklichen Verlust, und die Winkel seines weichen Mundes zitterten. Die beiden anderen sahen es mit Erstaunen. „Helft mir, sie zu finden, ich bitte euch!“, flehte Hardenberg in so ungewohnt ängstlichem Ton, dass Lewis und Herder ohne weitere Fragen umhergingen und mit den Blicken den Grund absuchten. Hardenberg wischte mit zitternden Fingern hier und da Schnee beiseite, spähte umher und lief schließlich ein paar Schritte in Richtung des Tores, um dort Ausschau zu halten.
    „Ich habe sie“, rief Herder plötzlich und hielt die kleine, blaue Blüte empor.
    Hardenberg stürzte herbei, glitt dabei fast aus und streckte noch im Laufen Herder die Arme entgegen. Ängstlich ergriff er die Blume, barg sie zärtlich in den Händen und blickte Herder dankbar an. „Du hast sie gefunden ...“
    Lewis kam dazu und betrachtete, was Hardenberg für so wichtig erachtete. „Sie ähnelt keiner Blume, die ich je gesehen habe, und da sie nicht verwelkt ist, obgleich sie schon so lang in deinem Besitz ist, nehme ich an, dass

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