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Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)

Titel: Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Röder
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und tippte sich an die dicke Nase. „Na denn ...“ Er wandte sich an Goethe. „Fahren wir zu mir. Am Frauenplan ist es derzeit etwas ungemütlich. Es zieht aus allen Löchern.“
    Goethe nickte ermattet und hob die Hand in Lewis’ Richtung, als wolle er ihn heranwinken. Lewis tat einen Schritt in seine Richtung. Er trug eine von Goethes Pistolen im Gürtel, die er aus Bodes Gemächern mitgenommen hatte. Die andere war bisher unauffindbar gewesen.
    „Sicher“, dachte Lewis, „will er seine Pistolen wiederhaben.“
    Wie unsinnig dieser Gedanke war, erschloss sich ihm nicht, er war zu müde und verwirrt. Er zog die Pistole langsam aus dem Gürtel.
    Im Hintergrund liefen noch immer Soldaten umher, die die maskierten Verschwörer abführten. Die Schwarzen Brüder fügten sich in ihr Schicksal. Dennoch gellte nun ein Schrei auf. Die Umherstehenden erschraken.
    Lewis wunderte sich, denn er bemerkte nichts, was diese Bestürzung hätte verursachen können. Er hob die Pistole, um sie Goethe zu geben, richtete ihren Lauf auf den Kopf des Geheimrats. Noch ein wenig näher, vielleicht.
    Lewis merkte mit Verwunderung, wie sich Goethes Miene veränderte, wie sich blankes Entsetzen auf seinen Zügen abzuzeichnen begann. Aber warum? Er, Lewis, zielte doch nur auf ihn, ein ganz normaler Vorgang, und nun, nun musste er nur noch abdrücken. Sein Kopf schmerzte ein wenig, sicher von der Aufregung, aber die würde sich legen, wenn er endlich den Finger gekrümmt hatte.
    Aus dem Augenwinkel sah er eine Bewegung. Er wollte den Kopf wenden, doch es gelang ihm nicht. Er fixierte Goethe, hielt den Arm mit der Pistole erhoben, und jetzt, jetzt musste er den Abzug betätigen. Irgendwo, weit hinten in seinem Schädel schien eine Stimme zu schreien, die ihn verblüffend an seine eigene erinnerte. Sie schien ihn von seinem Vorhaben abbringen zu wollen, sie forderte, den Arm sinken zu lassen und Goethe nicht zu töten!
    Goethe töten! Lewis erschrak. Wer wollte das tun? Er wollte sich entgeistert umsehen, doch seine Halsmuskeln gehorchten ihm nicht. Auch konnte er die Augen nicht von Goethe wenden, den er über den Lauf der Pistole hin betrachtete, und auch sein Zeigefinger wollte ihm nicht gehorchen, als er sich krümmte, immer weiter und weiter.
    Lewis beobachtete mit Schrecken, was sein Leib tat, ohne dass er darauf Einfluss nehmen konnte. Es war ihm, als sei er in seinem Körper wie in einem Kerker gefangen und könne nur hilflos dabei zusehen, was sich vor den Fensterhöhlen seiner Augen abspielte. Ohne etwas dagegen tun zu können, spürte er, wie es unter seinem Zeigefinger metallisch klickte.
    Wieder war da eine Bewegung neben ihm, und dann fühlte er, wie eine Hand ungestüm gegen seinen Arm schlug. Lewis krümmte den Zeigefinger zu Ende, der Pistolenhahn fuhr nieder, und das Pulver auf der Zündpfanne flammte auf. Die Detonation riss seinen Arm hoch, und für einen Augenblick sah er nichts, nur die wallende Dampfwolke voller Funken, die vor der Mündung der Pistole aufstob.
    Schon bewegten sich Gestalten um ihn her, Hände fassten nach ihm. Alles schrie und rannte. Lewis tat einen Schritt nach vorn, halb aus eigenem Willen, halb begaunert und gedrängt. Der Vorhang aus Rauch glitt beiseite und enthüllte ihm die Szene: Goethe stand hocherhobenen Hauptes da, in den Armen Christiane Vulpius und ihren Sohn. Wieland, von Germar und einige Diener waren ängstlich um ihn geschart.
    Ein wenig abseits stand Krafft, der eine Büchse erhoben hielt. Zu seinen Füßen lag Balsamo im Schnee, der sich zunächst noch den blutüberströmten Kopf hielt, dann ohnmächtig zusammensackte.
    Im selben Augenblick spürte Lewis, wie der Schmerz in seinem Schädel erlosch. Er spürte die Waffe in seiner Faust und sah sich benommen um. Zwei Hände quetschten seine Schultern. Neben sich sah Lewis nun Herder und Hardenberg, die ihn befremdet und alarmiert ansahen, aber nun, als sie erkannten, dass sich sein Blick klärte, ihren Griff ein wenig lockerten.
    Er ließ die Hand mit der Pistole sinken, dann entglitt ihm der Griff, und die Waffe fiel in den Schnee.
    Lewis hob den Blick und begegnete den Augen des Geheimrats. Der letzte Streif Pulverdampf zog vorüber und verhüllte Goethes Züge. Lewis erinnerte sich an ihrer beider erstes Zusammentreffen, wie ihm der Geheimrat aus einer Wolke aus Staub entgegengetreten war: herrisch und übermenschengroß. Jetzt stand er da, schwach und bestürzt, und der Kreis schien sich zu schließen, als Lewis die Sicht auf

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