Der Mönch in Weimar: Ein Schauerroman nach alter Mode (German Edition)
können sich auch hier drinnen ankleiden“, meinte Wieland. „Wir sind spät dran. Da werden gewisse Damen und Herren ziemlich ungehalten sein.“
Das hatte Lewis befürchtet. Sein erster Auftritt bei Hofe würde zu einem Debakel werden.
Die Kutsche fuhr eilig an und raste gen Tiefurt.
Viertes Kapitel
In welchem mit Köpfen gespielt wird
W ährend die Kutsche durch Tiefurt brauste, mühten sich Lewis und Herder, trotz der Enge und des Rüttelns wieder in ihre Kleidung zu schlüpfen. Wieland schaute amüsiert drein, bot aber keine weitere Hilfe an, als dass er sich möglichst eng in seine Ecke drängte, um den beiden jungen Männern einigermaßen Platz zu bieten.
„Haben Sie übrigens die vier Berittenen gesehen, die uns entgegenkamen?“, fragte er.
Herder hielt beim Versuch, seine Halsbinde zu richten, inne und sah ihn an. „Nein, von welchen Reitern sprechen Sie? Die, die uns abdrängten?“
Wieland stutzte. „Kurz bevor wir den Waldrand und die Brücke erreichten, kamen uns vier Reiter entgegen. Ich glaubte, es seien die, die auch unsere Pferde zum Scheuen gebracht hatten, und hoffte, Sie hätten sie im Sonnenlicht besser erkennen können ...“
„Nein“, sagte Herder. „Da wir gleich neben der Brücke lagerten, hätten wir sie wohl bemerken müssen, nicht wahr, Herr Lewis?“
Lewis nickte. „Ich habe auch nichts bemerkt.“ Er blickte Wieland an. „Möglicherweise gibt es einen Querweg zur Straße durch den Wald.“
Wieland wiegte den Kopf. „Das mag sein.“
Herder rückte sich den Rock zurecht. „Das wär’s.“ Er musterte Lewis. „Wir sind so gut wie neu. Die Herzogin wird nichts zu beanstanden haben.“
Lewis mochte dem zustimmen, soweit es Herder betraf. Der sah aus, als sei das schlammige Debakel nie geschehen. Er selbst fühlte sich allerdings zerzaust und unwohl, gar nicht recht gewappnet für einen Besuch bei den hohen Herrschaften des Adels und des Geistes. Aber dann stellte Herder wieder sein gewinnendes Lächeln zur Schau, und Lewis ließ sich mitreißen. Trotzdem wollte er sichergehen.
„Was meinen Sie, Herr Wieland? Ist das angemessen?“
Der Schriftsteller zog die Nase kraus, was ein beeindruckendes Schauspiel war, und spitzte die Lippen. „Nun, ich könnte jetzt etwas Zweideutiges sagen, um meiner Rolle gerecht zu werden, aber glauben Sie mir, es ist alles in schönster Ordnung.“
Lewis nickte dankbar.
„Außer vielleicht dem einen oder anderen Grashalm in Ihrem Haar.“ Er deutete mit dem Finger darauf. „Aber ich denke, es wird auf dem Weg vom Eingang zum Gesellschaftszimmer den einen oder anderen Spiegel geben ...“
Lewis’ Hand zuckte zu seiner Schläfe und tastete, konnte aber nichts ausfindig machen. Er schaute verwirrt.
Herder schüttelte den Kopf. „Herr Lewis, Sie müssen sich daran gewöhnen, nicht jede Äußerung Herrn Wielands für voll zu nehmen.“
„Ich werde das beherzigen“, sagte Lewis und versuchte, Wieland einigermaßen respektvoll in gespieltem Zorn anzufunkeln.
„Eines dürfen Sie mir aber glauben ...“, begann Wieland.
„Was mag dies sein?“, fragte Lewis misstrauisch.
Wieland wies aus dem Fenster. „Wir sind da.“
Lewis sah hinaus. Sie fuhren in eine malerische Parklandschaft ein, die im späten Licht lag. Zwischen hohen Bäumen konnte Lewis hell verputzte Mauern blitzen sehen, und schon hielten sie vor dem Altan, einem auf Pfeilern stehenden und mit Schindeln gedeckten hölzernen Gang, der das zweigeschossige Haupthaus mit dem Nebengebäude verband.
„Aber“, meinte Lewis, „das ist ja gar kein Schloss.“
„Nein, wie sollte es auch“, erläuterte Wieland. „Früher war es das Pächterhaus des Kammergutes. Aber seien Sie unbesorgt, im Inneren ist es erstklassig eingerichtet.“
„Ich bin keineswegs besorgt“, antwortete Lewis. „Ich bin nur verblüfft, da es stets als Schloss bezeichnet wurde.“
„Der Adel kommt mit den Bewohnern“, stellte Wieland fest. „Aber jetzt hinaus, wir sind schon spät.“
Die drei stiegen aus, und der Kutscher lenkte den Wagen sogleich weiter, um das Bauwerk herum. Herder klopfte abermals seine Kniehosen aus. Dann gingen sie zum Hauptgebäude, unter den vier hohen Bäumen hindurch, bis sie vor dem Tor standen, das von zwei steinernen Bänken gesäumt war.
Wieland klopfte an.
Als sich nichts rührte, drückte er gegen das Holz, und die Pforte schwang auf. Er sah sich zu Herder und Lewis um, zuckte die Achseln und steckte den Kopf ins Innere. Es war still. Wieland öffnete
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